Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Otto Merkel, Geschichte der Familie Merkel 1912-1919

Abschnitt 1: Umzug der Familie nach Dillenburg 1912

[Bd. 2, S. 88] Vorbemerkung: Die präsentierten Texte aus der Chronik des Otto Merkel setzten mit dem Umzug der Familie nach Dillenburg 1912 ein.

Zum Ersten Weltkrieg siehe ab Abschnitt 27



Dillenburg 1912–1918

Es ist uns nicht leicht geworden, [von Biedenkopf] nach Dillenburg überzusiedeln und das schöne Biedenkopf zu verlassen. Ein Umzug ist immer eine sehr geringe Annehmlichkeit, doch war die Sache damals noch ziemlich billig. Der Möbelspediteur Heppe von Marburg1 übernahm für 195 M. den ganzen Umzug von Haus zu Haus. Ich hatte in Dillenburg eine Wohnung gefunden in der sog. „Hohl“ bei dem Lokomotivführer Bückhardt, Hohl Nr. 11. Vorher hatte dort der Oberlehrer Lorch gewohnt, dessen Vater der Seminaroberlehrer Lorch wegen seiner liberalen Gesinnung gemaßregelt worden war und das bekannte Schriftchen geschrieben hatte: “Keine zwangsweise Pensionierung“2. Die Wohnung umfasste 4 Zimmer mit Küche im 1. Stock und 2 Mansarden im Dachstock. Sie lag recht schön unmittelbar am Wald, hatte nur den Nachteil, dass die Hohl sehr steil war, und dass der Bahnübergang am Fuße des Hohl sehr störend war. (Die Brücke war damals noch nicht gebaut). Bückhardt war ein sehr geschickter Schlosser u. Mechaniker, baute ganze Maschinenmodelle, spielte sehr gut Klavier, war aber auch nicht wenig stolz auf seine Geschicklichkeit. Seine Frau war herzleidend und immer kränklich. Sie war eine Tochter des reichen Zimmermeisters Krauskopf. Bückhardts hatten 3 Kinder. Die älteste Tochter Auguste ist an einen Techniker Schäfer verheiratet und wohnt in Castrop3. Die Hochzeit haben wir mitgefeiert im Hotel Neuhof. Die 2. Tochter hieß Pia. Sie war ein kleines wuseliges Ding, spielte so gut Klavier wie der Vater und gab Klavierstunden. In den freien Stunden ging sie auf die Suche nach einem Mann, hatte einmal ein festes Verhältnis mit einem Seminaristen Göbel von Niederscheld4, der sie aber später sitzen ließ. Was aus ihr geworden ist, weiß ich nicht. Außer diesen beiden Töchtern war noch der Sohn Walter da, der in der Volksschule nur mäßige Fortschritte gemacht hatte und deshalb nicht recht wusste, was er anfangen sollte. Er lernte schließlich bei seinem Großvater das Zimmergeschäft und ging dann nach Idstein auf die Bauschule5. Eine besondere Fertigkeit besaß er im Zeichnen und Malen. Er machte den Weltkrieg mit, wurde in den Karpaten verwundet und kam mit lahmen Arm nachhause. Auch über sein späteres Schicksal bin ich nicht orientiert.


  1. Die noch heute bestehende Möbelspedition Heppe in Marburg.
  2. J. Lorch, Meine zwangsweise Pensionierung unter Minister von Zedlitz meiner religiösen Überzeugung wegen, Hagen i.W. [um 1892].
  3. Heute Teil der Stadt Castrop-Rauxel, Nordrhein-Westfalen.
  4. Niederscheld, heute Stadtteil von Dillenburg.
  5. Königliche Baugewerk- und Maschinenbauschule Idstein, gegründet 1869.

Places: Dillenburg
Recommended Citation: „Otto Merkel, Geschichte der Familie Merkel 1912-1919, Abschnitt 1: Umzug der Familie nach Dillenburg 1912“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/5-1> (aufgerufen am 20.04.2024)