Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Adolf Otto, Kriegstagebuch des Kurhessischen Jägerbataillons Nr. 11 aus Marburg, 1914-1918

Abschnitt 6: Vorrücken bis zum Maasufer

[8-9] Vormarsch durch Belgien und Frankreich

Am Nachmittag des 21. August traf Befehl des 12. Armeekorps ein, daß das Bataillon der 32. Infanteriedivision, 63. Infanteriebrigade zugeteilt werde und mit 2 Zügen Husaren-Regiments 18 die Sicherung der rechten Flanke des Armeekorps, sowie die Herstellung der Verbindung mit dem 11. Armeekorps übernehmen solle. Zur Unterkunft wurde Miannoye angewiesen. 4 Uhr 20 rückte das Bataillon ab. Während des Marsches traf neuer Befehl der 63. Infanteriebrigade ein, zusammen [S. 9] mit 2. Bataillon Infanterie-Regiments 103 in den Wald östlich Bauche rücken. Beim Durchmarsch durch das genannte Gehölz wurde starkes Feuer des II/I.-R. 103 gehört. Infolgedessen entwickelte sich das Bataillon zur Aufnahme. Zu einem Eingreifen kam es jedoch nicht. Die Nacht verbrachte man in dem teilweise sumpfigen Waldgelände. Gegen Mitternacht traf reichlich Verpflegung ein, die aus einer mit Brot beladenen Kolonne und aus dem Feldmagazin des 12. Armeekorps bei Achêne herbeigeholt worden war.

5 Uhr 30 vormittags erfolgte dann am 22. August der Abmarsch nach Durnal, wo ab 6 Uhr 15 vormittags gerastet und wohin die große Bagage nachgezogen wurde. 5 Uhr 45 nachmittags marschierte das Bataillon gemäß Brigade-Befehl über Spontin nach Thynes und bezog dort gegen 10 Uhr abends in tiefster Dunkelheit auf einer Wiese Biwak.

Für den 23. August war ein allgemeines Vorgehen geplant und schon gegen 3 Uhr wurde die Ruhe auf den mühsam zusammengesuchten Strohschütten durch den Befehl zum Abmarsch nach Lisogne unterbrochen. Während die große Bagage zurückblieb. marschierte das Bataillon zum Ostausgang Lisogne, wo etwa 3 Stunden gehalten wurde, und sodann in Richtung Leffe bei Dinant weiter. Aus den eintreffenden Befehlen geht hervor, daß das Ziel des Tages die Bezwingung des Maasabschnittes ist. „Natürliche Kalksteinbastionen, bewaldete Hänge und festgebaute Orte bildeten mit dem gewundenen, tief eingeschnittenen Flußtal ein Fronthindernis, das unbezwinglich schien. Alle Brücken zwischen Givet und Namur waren gesprengt, das feste Dinant stark besetzt." (Stegemann Bd. 1, S. 144). Die eigene Artillerie hat inzwischen das Feuer eröffnet und beschießt lebhaft Dinant und die jenseitigen Maashöhen. An dem Bataillon, das gegen Mittag bei einer Pappmühle dicht vor Leffe hält, ziehen endlose Kolonnen Sachsen und Brückentrains vorüber. Obgleich der Blick auf die Maas frei ist, ist vom Feinde nichts zu sehen. Aus den Hängen seitlich des Bataillons zischt und knackt es dagegen unaufhörlich: Einwohner sind es, die – wie auch in Dinant selbst – mit Schrotflinten und Teschings auf die anrückenden Truppen schießen. Wer von den Sachsen in der Stadt mit der Waffe in der Hand ergriffen wird, wird erschossen. Seitlich der Straße liegen breits die Leichen mehrere Einwohner, die gegen das Kriegsrecht gefrevelt haben. Zum Schutz der auffahrenden Brückentrains gehen am Nachmittag die 2. und die Maschinengewehr-Kompagnie auf einer Höhe östlich der Maas in Stellung. Der Stab der 32. Infanterie-Division, der neben dem Bataillon hält, hat mittlerweile 2 schwere Feldhaubitzen herangezogen, die nun auf der Talstraße Heranrasen und neben dem Bataillon in Stellung gehen. Gleich darauf krachen ihre ersten Schüsse zum jenseitigen Talhang hinüber, in dessen Landhäusern feindliche Infanterie erkannt worden ist. Der sächsische Artilleriegeneral ist höchstpersönlich mit Steigeisen auf eine Telegraphenstange geklettert und leitet von dort das Feuer. Bald brennt und raucht es auf dem jenseitigen Ufer und auch ein anscheinend besonders stark besetztes Türmchen, auf dessen Beseitigung der General „ein Goldstückchen" ausgesetzt hat, hat einen Volltreffer erhalten. Der eintreffende [S. 10] sächsische Kronprinz wird begeistert begrüßt.


Recommended Citation: „Adolf Otto, Kriegstagebuch des Kurhessischen Jägerbataillons Nr. 11 aus Marburg, 1914-1918, Abschnitt 6: Vorrücken bis zum Maasufer“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/10-6> (aufgerufen am 24.04.2024)