Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Adolf Otto, Kriegstagebuch des Kurhessischen Jägerbataillons Nr. 11 aus Marburg, 1914-1918

Abschnitt 2: Bereitstellung des Bataillons in Belgien

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Das Bataillon trat zur Heeres-Kavallerie (H.K.K. 1), bezog in St. Vith1 Alarmquartier und sicherte sich nach allen Seiten. Zur Aufgabe wurde ihm zunächst gesetzt, gemeinsam mit dem Gardejäger- und dem Gardeschützenbataillon2 die Sicherung der Bahn Stavelot3 – Salm Chateau4 zu übernehmen. Es marschierte daher am 6. August über Rodt, Potteaux, Pt. Thier5 nach Vielsalm6. Die Radfahrer-Kompagnie fuhr unmittelbar nach Roglinval7. Die 2. Kompagnie und 1 Zug M.G.K. wurden nach Gd. Halleux8, die 4. Kompagnie nach Salm-Chateau gelegt und der Bahnschutz in befohlener Weise übernommen. Die Bahnlinie war zerstört, der Tunnel bei Trois Ponts9 durch 2 ineinandergefahrene Lokomotiven gesperrt. Die Bevölkerung fügte sich im allgemeinen in die gegebene Lage, hatte ja auch keinen Grund zur Klage, zumal mangels anderer Weisung die beigetriebenen Lebens- und Futtermittel sämtlich bar bezahlt wurden. Mit dem Eintreffen des Gardeschützenbataillons am 7. August rückte das Bataillon in strömendem Regen mit dem Stab, der 1. und 2. Kompagnie nach Salm Chateau, der 3. und M.G. Komp. nach Bech10, während die 4. Kompagnie den Schutz der Bahnstrecke Vielsalm – Salm Chateau übernahm und die Radfahr-Kompagnie nach Vielsalm zur Verfügung des H.K.K. 1 rückte. Außer Kavalleriepatrouillen hatte man von der deutschen Armee, die sich hinter der Heereskavallerie im Anmarsch befand, noch nichts zu sehen bekommen und es sah fast so aus, als führe man Krieg auf eigene Faust – und zwar Krieg ohne Feind. Nur aus der Gegend von Lüttich11 grollte zeitweise heftiger Kanonendonner herüber. Kaum aber hatte man sich in den behaglichen Bürgerquartieren zum Schlaf gelegt, da sprengte ein Ordonnanz-Offizier durch die stillen Straßen. Er überbrachte dem Kommandeur den Befehl zu sofortigem Alarm und gleich darauf tönte das Signal durch den Ort. In einer Viertelstunde stand das Bataillon im nächtlichen Dunkel des Marktplatzes. Endlich kamen nähere Befehle: Eine feindliche Kavalleriedivision war im Vormarsch von Arlon12 auf Oberpallen13 gemeldet und sollte bei Tagesanbruch vom Kavalleriekorps angegriffen werden. 2., 3., M.G. und R.K Kompagnie des Bataillons rückten gemeinsam mit Teilen des Gardeschützenbataillon 4 Uhr 45 vormittags unter Befehl des Majors v. Gelieu nach Gouvy, während der Rest des Bataillons nach Vielsalm marschierte und die Sicherung der Bahnlinien durchführte. Gegen Mittag kamen die dem Detachement v. Gelieu zugeteilten Kompagnien zurück. Zu einem Gefecht war es nicht gekommen. Das durch 2 Kompagnien des Inf.-Reg. 95 verstärkte Bataillon behielt die Aufgabe, die Bahn auch im bisherigen Abschnitt des Gardeschützenbataillons zu schützen. In Grand Hallex, Boucheux und Bahnhof Vielsalm verschanzte sich je eine Kompagnie. Der Zug Prinz Lippe der 4. Kompagnie hielt ferner eine Anhöhe westlich Salm-Chateau besetzt. Den ersten Feind sah die [S. 5] 3. Kompagnie in Grand Halleux. 15 feindliche Reiter tauchten gegen Abend vor ihrer Front auf, zogen sich vor der sogleich alarmierten Kompagnie aber ohne Gefecht zurück. Die Nachricht vom Fall der Festung Lüttich14 löste frohen Jubel aus, mahnte aber auch, daß die vergangenen Tage ohne eigentlich kriegerischen Ereignisse für das Bataillon nur den Auftakt kommender Kämpfe gebildet hatten. Immer lebhafter wurde das Kommen und Gehen von Kavalleriepatrouillen und Meldereitern. Ein Schwadron der Gardekürassiere trat zur Verfügung des Bataillons.


  1. Sankt Vith, Kleinstadt in Ostbelgien, bis 1919 zum Deutschen Reich gehörend.
  2. Das Garde-Schützen-Bataillon war in Berlin-Lichterfelde stationiert.
  3. Stavelot, Stadt in Ostbelgien, 1914 in der Nähe der deutschen Grenze.
  4. Belgischer Ort südlich Vielsalm.
  5. Rodt, Potteaux, Petit Thier, Orte zwischen Sankt Vith und Vielsalm.
  6. Vielsalm, Kleinstadt in Ostbelgien, westlich Sankt Vith.
  7. belgischer Ort nördlich Grand-Halleux.
  8. Grand-Halleux, Ort nördlich Vielsalm.
  9. Trois-Ponts, Ort in Ostbelgien südwestlich Stavelot.
  10. Bêche, Ort südlich Vielsalm, Belgien.
  11. Lüttich liegt etwa 50 km nordwestlich von Vielsalm.
  12. Arlon, Stadt in Südostbelgien an der Grenze zu Luxemburg.
  13. Oberpallen, Luxemburgischer Ort an der Grenze zu Belgien.
  14. Die Stadt Lüttich wurde am 7. August eingenommen, die umliegenden Forts bis zum 16. August.

Recommended Citation: „Adolf Otto, Kriegstagebuch des Kurhessischen Jägerbataillons Nr. 11 aus Marburg, 1914-1918, Abschnitt 2: Bereitstellung des Bataillons in Belgien“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/10-2> (aufgerufen am 26.04.2024)