Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Adolf Otto, Kriegstagebuch des Kurhessischen Jägerbataillons Nr. 11 aus Marburg, 1914-1918

Abschnitt 4: Vorgehen über Dinant nach Gemechenne

[6-7] Am 14. August um 5 Uhr vormittags wurde der Vormarsch gemeinsam mit den Gardejägern und Gardeschützen über Leignon nach Ciney fortgesetzt. Stärkere feindliche Aufklärungsabteilungen zeigten sich, zogen sich aber vor der Spitze zurück, ohne es zum Gefecht kommen zu lassen. Schon um 2 Uhr mittags konnte das Bataillon in Ciney Alarmquartiere beziehen und in dem zugeteilten Sicherungsabschnitt Vorposten aufstellen. Die Verpflegung durch Beitreibung im Unterkunftsbezirk war nun schon gewohnte Arbeit und bereitete keine Schwierigkeiten mehr. In der Nacht wurde Leutnant d. R. Lerp beim Revidieren der Posten von Zivilisten durch Pistolenschuß an der Hand verwundet. Der Täter entkam unerkannt.

Vom Feind ist nicht viel mehr bekannt, als daß er Dinant mit starken Kräften besetzt hält. Ein Vorstoß der Kavalleriedivision, eine „gewaltsame Aufklärung" soll das Dunkel lichten. „Morgen wird Dinant angegriffen", lautet daher die Ziffer 1 des Divisionsbefehls am Abend des 14. August. Bereits um 2 Uhr nachts tritt das Bataillon an, während die Radfahrkompagnie zur Sicherung der Truppen und des Ortes zurückbleibt. Um 6 Uhr ist Sovet erreicht, von wo es hinter dem Gardeschützenbataillon auf Dinant zu geht. Bei Awagne wird das Bataillon gegen 8 Uhr auf Befehl der Division entfaltet und tritt in sein erstes Gefecht. Die 1. Kompagnie in vorderster Linie, die rechts, die 2. links. Die 3. Kompagnie folgt als Reserve. So geht's zwischen der Straße Loyers–Dinant und dem Fond de Leffe auf die Maas zu. Erst als ein zum Fluß steil abfallender Waldrand erreicht ist, pfeifen die ersten Infanteriegeschosse vom jenseitigen Ufer herüber. Die 1. Kompagnie entwickelt 2 Züge gegen den schlecht sichtbaren, hinter Eisenbahndamm, Gartenmauern, Hecken und Häusern verschanzten, an den roten Hosen als Franzosen erkannten Feind. Die 2. Kompagnie tritt in der linken Flanke gegen einen am diesseitigen Maasufer in den Häusern von Dinant befindlichen, anscheinend aus Zivilisten bestehenden Gegner ins Feuergesecht. Die 3. und 4. Kompagnie verstärken und verlängern mit je einem Zuge die Front der 1. Kompagnie. In dem Bestreben, dem eifrig feuernden Feind durch eigene Feuerwirkung Abbruch zu tun, schießt mancher Jäger stehend freihändig. Hauptmann v. Harnier wird tödlich getroffen: er bleibt nicht der einzige. 3 Jäger fallen, Vizefeldwebel Natorp und 4 Jäger werden verwundet. Heulend kommen die ersten Schrapnells vom jenseitigen Maasufer herüber und prasseln in die Bäume. Auch die Gefechtsbagage bekommt die Feuertaufe und muß beschleunigt Stellung wechseln. Nun greifen deutsche Geschütze und die Maschinengewehre der M. G. K. von einer seitlich liegenden Höhe in das Gefecht ein, ohne dem im eng eingeschnittenen Tal gut gedeckt liegenden Gegner recht beikommen zu können. Allmählich wird sein Feuer aber doch zum Schweigen gebracht. Gegen Mittag kommt Befehl, „geordnet auf Lisogne zurückzugehen." Der Zweck des Erkundungsgefechts ist erreicht und doch ist man ärgerlich, es mit einem Rückmarsch beenden zu müssen. Doch was hilft's – der Befehl muß ausgeführt werden und staffelweise werden die Kompagnien zurückgenommen. Der Feind folgte nicht. Das Bataillon marschierte zunächst nach Thynes. Die Vorbereitungen zum Schlachten und Abkochen wurden aber unliebsam durch einen neueren Befehl der Division gestört, durch den Sovet zum Ortsbiwak bestimmt wurde. Um 10 Uhr 30 abends erreichte das Bataillon den eng belegten Ort und kam – wenn auch nicht sehr bequem – zur Ruhe.

Der 16. August ließ die Masse der Heereskavallerie in ihren Quartieren und Biwaks. Zur Sicherung gegen einen etwaigen Angriff marschierten die Jäger (11., Gardejäger und Gardeschützen) um 7 Uhr vormittags bei schönem Wetter nach Awagne, um dort an einer befestigten Ausnahmestellung zu schanzen. Um 5 Uhr 30 gings zurück nach Sovet, während der Zug Schneidewin der 3. Kompagnie mit einem Zug Gardedragoner bei Gemechenne Feldwachstellung bezog.


Recommended Citation: „Adolf Otto, Kriegstagebuch des Kurhessischen Jägerbataillons Nr. 11 aus Marburg, 1914-1918, Abschnitt 4: Vorgehen über Dinant nach Gemechenne“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/10-4> (aufgerufen am 25.04.2024)