Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Adolf Otto, Kriegstagebuch des Kurhessischen Jägerbataillons Nr. 11 aus Marburg, 1914-1918

Abschnitt 17: Beendigung des Rückzugs deutscher Truppenteile

[24-25] Am 26. September abends ging's wieder in vordere Linie zur Höhe 100 südwestlich Aguilcourt zur Ablösung von 2 Bataillonen Infanterieregiments 55. Die Radfahrkompagnie blieb in Variscourt. In und vor den behelfsmäßigen Schützengräben, die das Bataillon übernahm, tagen noch zahlreiche Leichen aus den vergangenen Kämpfen. Sie wurden beerdigt, die Gräben verbessert, die eigene schwere Artillerie eingeschossen. Der Feind verhielt sich im allgemeinen ruhig.

Am 27. September traf ein Ersatztransport mit Hauptmann Claaßen, Oberleutnant d. R. Beutin und den Leutnants v. Boxberger und Prinz Reuß, sowie der ersten Marburger Liebespaketsendung ein. Hauptmann Claaßen übernahm die Führung der 4., Oberleutnant d. R. Beutin die der 1. Kompagnie.

Am Abend des 28. September löste 1. Bataillon Infanterieregiments 15 das Bataillon ab, das in einer Zuckerfabrik östlich der Straße Guignicourt–Condo zusammen mit Radfahrkompagnie und Bagage Ortsunterkunft bezog. In der Stellung war außer einer Verwundung kein Verlust eingetreten, dagegen war bereits am 23. September Leutnant d. R. Gonder durch Unglücksfall schwer verletzt worden und am 28. September verunglückte Leutnant v. Boxberger tödlich.

Am 1. Oktober trat das Bataillon zur Armeereserve und rückte nach Auménencourt le-Grand ins Ortsbiwak. Pferdeappell, Feldgottesdienst, Ausbildung von Jägern am Maschinengewehr füllten die Tage aus, bis am 3. Oktober das Bataillon zur 25. Infanterie-Brigade übertrat und abends über Pont Givart in die vordere Linie bei St. [S. 25] Marie Ferme zur Ablösung eines Teiles des Infanterieregiments 158 rückte, während Radfahrkompagnie und Bagagen in Orainville unterkamen. Auch in der neuen Stellung mußten zunächst wieder zahlreiche Leichen, die bereits in Verwesung übergingen, beerdigt werden. Pioniere brachten einen Minenwerfer in Stellung, der aber beim Abfeuern zersprang und unter der Bedienung starke Verluste verursachte. Feindliche Patrouillen wurden mit gutem Erfolg durch eigene beschossen. Im übrigen verlief die Nacht und der 4. Oktober ruhig. Am Abend löste Infanterieregiment 73 ab und das Bataillon bezog mit allen Teilen Alarmquartiere in Bertricourt, wo es am Abend des 5. September der Befehl zum Abtransport erreichte.

Inzwischen hatte nämlich die strategische Gesamtlage ein neues Gesicht bekommen: Der Rückzug der deutschen Armeen war auf der ganzen Linie zum Stehen gekommen. Ueberall prallte der eben noch siegjubelnde Franzose gegen Widerstand, den er frontal nicht zu brechen vermochte. So versuchte Joffre, der französische Generalissimus, die rechte Flanke der Deutschen zu umfassen und warf Division auf Division an seinen linken Flügel. Nun galt es für die deutsche Oberste Heeresleitung, diesen Schlag nicht nur zu parieren, sondern ihn, wenn irgend möglich, in eine Bedrohung der linken Flanke des französisch-englischen Heeres umzukehren. Sie zog daher möglichst viele Truppen aus der bisherigen Front und schaffte sie mit größter Eile nach Norden. Der „Wettlauf zum Meere" begann.


Recommended Citation: „Adolf Otto, Kriegstagebuch des Kurhessischen Jägerbataillons Nr. 11 aus Marburg, 1914-1918, Abschnitt 17: Beendigung des Rückzugs deutscher Truppenteile“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/10-17> (aufgerufen am 26.04.2024)