Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Adolf Otto, Kriegstagebuch des Kurhessischen Jägerbataillons Nr. 11 aus Marburg, 1914-1918

Abschnitt 15: Verlustreiche Rückzugsgefechte

[21-23] Am 14. September wurde das XII. Armeekorps durch Truppen des XIX. abgelöst und marschierte mit dem Jägerbataillon 11 als Vortrupp über Vaudesincourt–Dontrien–Bethiniville–Selles nach Vendetre, wo Mittagsrast befohlen wurde. Der durch Regen und verschlammte Wege beschwerliche Weitermarsch führte über Isles s. Suippe, St. Etienne nach Neufchâtel, das 6 Uhr 30 abends nach einem Marsch von über 40 Kilometer Ortsbiwak bot und von der 1. Kompagnie durch Vorpostenaufstellung gesichert wurde. Diese Verschiebung aus der Mitte der III. Armee zum rechten Flügel der II. hatte ihren Grund darin, daß zwischen der I. und II. Armee eine Lücke aufgesprungen war, in die Franzosen und Engländer über Berry-au-Bac–Juvincourt und Pontavert bereits bis über Craonne hineingestoßen hatten. Die rechte Flanke der 2. Armee galt es zu schützen – zunächst durch Sicherung der Kanalübergänge bei Neufchâtel. Der Truppe und ihren Stäben war freilich nur diese letzte engbegrenzte Aufgabe bekannt. Sie fühlte zwar – und daran ließ das an der ganzen Front in bisher unbekannter Heftigkeit mächtig und ununterbrochen aufgrollende Artilleriefeuer keinen Zweifel – das Kritische der Lage, begrüßte aber [S. 22] andererseits freudig die offenkundige Beendigung des Rückmarsches. Den Schutz der rechten Flanke des auf dem bedrohten Flügel der ll. Armee fechtenden VII. Armeekorps hatte ein Detachement Steinmetz, zu dem das Jägerbataillon 11 mit dem Husarenregiment 20 und einer Abteilung sächsischer Feldartillerie trat.

Am 15. September rückte das Bataillon um 4 Uhr früh nach Guignicourt und erhielt dort den Auftrag, auf Iuvincourt vorzugehen und die Bachübergänge, sowie den Ort zu besetzen. Die 3. Kompagnie ging rechts, die 4. links der Straße Guignicourt–Juvincourt vor. 2., M.-G. und 1. Kompagnie folgten auf der Straße. Gegen 8 Uhr bekamen die vordersten Teile am Ostausgang Iuvincourt Fühlung mit dem Feind und gleichzeitig fegten die ersten Schrapnells heran. Da inzwischen die 23. I.-D. zum Angriff auf Iuvincourt geschritten war, erhielt das Bataillon Befehl, nach Süden abzudrehen und den Angriff des Detachements auf Berry-au Bac zu unterstützen. Dem Tal des Muette-Baches folgend, wurden 2. und 1. Kompagnie gegen Berry-au-Bac entwickelt, während die 4. Kompagnie in zweiter und die 3. und Maschinengewehr-Kompagnie in dritter Linie als Unterstützung folgten. Bevor das Bataillon aber noch zum Eingreifen kam, war Berry-au-Bac schon in deutscher Hand. Das Bataillon änderte die Marschrichtung rechtsschwenkend erneut in allgemein westliche Richtung und besetzte die als Angriffsziel des Detachements bestimmte Straße Cordeny–Berry-au-Bac zwischen diesem Ort und dem etwa 1,5 Kilometer nordwestlich liegenden Straßenkreuz. Die 4. Kompagnie verlängerte links. 3. und M.G.K. blieben zur Verfügung des Bataillonskommandeurs. Heftiges Schrapnell- und Granatfeuer hatte die Bewegungen des Bataillons begleitet und rauschte in immer neuen Schauern heran. Nun kamen – gegen 9 Uhr vormittags – auch französische Schützenlinien aus dem Muette- und Aisne-Tal gegen die Stellung des Bataillons herauf. Wohlgezieltes Feuer prasselte ihnen auf 900 Meter Entfernung entgegen und zwang sie zur Erde. Auch eine jenseits des Baches aufgefahrene Batterie wurde auf 1300 Meter flankierend unter Feuer genommen: sie schwenkte mit einigen Geschützen gegen das Bataillon und nahm das neue Ziel im Schutz ihrer Schilde sogleich unter Feuer. Im Laufe des Nachmittags gingen rechts Teile des Infanterieregiments 77 und des Pionierbataillons 21, links Teile des Infanterieregiments 56 in Stellung, auch wurde die Front des Bataillons durch je 1 Zug der Maschinengewehr-Kompagnie und der 3. Kompagnie verstärkt. Mehrere durch Artillerie- und Maschinengewehrfeuer vorbereitete und unterstützte Versuche der Franzosen, sich näher heranzuarbeiten, wurden im Keime durch Feuer erstickt. Das Bataillon verlor 9 Tote und 28 Verwundete. Der Führer des Detachements, Generalleutnant v. Steinmetz, war inzwischen tödlich verwundet worden. An seine Stelle trat der Kommandeur des Infanterieregiments 56, Oberst Weicke. Mit der sinkenden Nacht erlosch allmählich das Feuer, nur vereinzelte Schrapnells streuten auf die rückwärtigen Verbindungen. Bei Freund und Feind brannten Strohhaufen, von Artilleriegeschossen entzündet, und bannten in ihrem Lichtkreis jede Bewegung. Die Feldküchen fanden [S. 23] sich ein und stärkten die ermüdeten Kämpfer für die nächtliche Schanzarbeit, die unter dem Schutz von Posten und Patrouillen die Stellung für die zu erwartenden Kämpfe verstärken sollte. Noch vor Tagesanbruch wurden sämtliche Maschinengewehre eingesetzt.


Recommended Citation: „Adolf Otto, Kriegstagebuch des Kurhessischen Jägerbataillons Nr. 11 aus Marburg, 1914-1918, Abschnitt 15: Verlustreiche Rückzugsgefechte“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/10-15> (aufgerufen am 07.05.2024)