Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Adolf Otto, Kriegstagebuch des Kurhessischen Jägerbataillons Nr. 11 aus Marburg, 1914-1918

Abschnitt 11: Gegenwehr französischer Kräfte

[15-17] Auch am 3. September setzte sich das Detachement und mit ihm die Radfahrkompagnie wieder vor die Front des Armeekorps und stieß über Nauroy auf Prosnes vor, wo einige feindliche Schwadronen durch Artilleriefeuer verjagt wurden. Ueber Baconnes fuhren die Radfahrer nun auf Mourmelon le Petit, das bereits zum Lagerbereich von Chalons gehörte. Die eigenen Kavalleriepatrouillen werden mit Schüssen empfangen, die aus dem Ort herüberpfeifen. Der Zug Scheffer der Radfahr-Kompagnie erzwingt nach kurzem Feuergefecht den Eingang. Kaum aber ist der Ort durchschritten und die Windmühlenhöhe jenseits erreicht, da knattert erneut Infanteriefeuer auf, in das sich auch das tak-tak-tak von Maschinengewehren mischt. Leutnant Prinz Solms setzt nun auch den Zug Brennecke ein, wird aber dabei schwer verwundet. Teile des 19. Korps greifen ein und der Angriff wird gegen Livry weiter vorgetragen. Immer heftiger wird das feindliche Feuer. Der Zug Scheffer verliert seinen Zugführer Leutnant Scheffer und kurz darauf auch dessen Nachfolger, den Obj. Rasch. Nun wird die Lage [S. 16] bedenklich. Der Feind ist offenbar weit überlegen und die aus dem rechten Flügel stehende Batterie erscheint gefährdet. Um sie schließt sich die Radfahr-Kompagnie zusammen. Da treffen Verstärkungen ein – das eigene Bataillon ist's, das am Morgen nach Baconnes marschiert war und auf die Meldung von der bedrängten Lage des Detachements von Arnim zur Unterstützung herbeieilt. Der Feind bereitet ihm einen warmen Empfang. Die zunächst entwickelte 1. und 2. Kompagnie gerät in heftiges Infanterie- und Artilleriefeuer, ebenso die als Unterstützung folgenden anderen Teile des Bataillons. Die Leutnants Müller und v. Küster sowie der Fähnrich v. Baumbach und mit ihnen zahlreiche Jäger werden verwundet. Meldungen heischen dringend Artillerieunterstützung und bringen die rückwärts gerade zur Ruhe übergehenden Truppen wieder auf die Leine. Der Divisionskommandeur befiehlt dem Bataillon, das Eingreifen der Verstärkungen in Deckung abzuwarten. Es kommt aber nicht mehr dazu. Mit hereinbrechender Dunkelheit schläft das Feuer ein und der Feind geht zurück. Das Bataillon, das außer den Offizieren 9 Tote und 46 Verwundete verloren hatte, sammelte an der Straße Mourmelon le Grand–Mourmelon le Petit und gab Essen aus. Die Führung der R.-K. übernahm Leutnant Swart.

Um Mitternacht wurde aufgebrochen. Aber schon nach kurzem Marsch kam Befehl zum Halten und die ganze kalte Nacht lag das Bataillon im Straßengraben dicht vor Livry s. Vestle. Heftiges Schießen hallt von vorn herüber. Es ist jedoch nichts in Erfahrung zu bringen und erst um ½ 6 Uhr geht 's in den frostigen Morgen hinein nach Les grandes Loges. Strahlend steigt die Sonne über den Horizont und bald ist aus der Morgenkühle sengende Sommerglut geworden, so daß der Befehl, bei Les grandes Loges zu rasten, freudig begrüßt wird. In aller Behaglichkeit wurde Essen ausgegeben und geruht. Blutrot stand die Sonne über dem Marnetal, als gegen Abend der Marsch nach Isse fortgesetzt wurde, wo man dann Ortsbiwak bezog.

Der 5. September brachte einen Ruhetag, der zum Instandsetzen der arg mitgenommenen Kleidung und Ausrüstung und zum Pferdeappell benutzt wurde; denn auch die große Bagage hatte sich eingefunden. Am Nachmittag fanden Feldgottesdienste statt. Der Verpflegungsoffizier verschönte den Tag der Ausspannung mit reichlichem Brot, das er mit den requirierten Kraftwagen weither (von Signy l'Abbaye) geholt hatte, und mit dem ebenfalls von dort mitgebrachten Funkspruch von dem Siege bei Tannenberg. Das war die erste Nachricht von den ändern Kriegsschauplätzen, die manche dumpfe Sorge und manches dunkle Gerücht, unter dem man gelitten hatte, zerstreute. Freilich – Nachricht aus der Heimat traf auch jetzt noch nicht ein. Für die Radfahrkompagnie gab's keinen Ruhetag. Sie brach um 7 Uhr morgens mit dem Detachement von Arnim von Condé zur Aufklärung auf und erreichte als Vorhut, über Champigneul–Vouzy, Villesneux. Etwa 5 Kilometer südwestlich des Ortes stieß sie gegen 1 Uhr 30 mittags auf 1–2 feindliche Kompagnien, die den Abmarsch stärkerer feindlicher Abteilungen deckten. Nach kurzem verlustlosen Feuergefecht wandte sich der Gegner zum fluchtartigen Rückzug, vom Feuer der deutschen Batterie [S. 17] verfolgt, das von 2 feindlichen Batterien erwidert wurde. Das Detachement biwakierte nördlich Villesneux.


Recommended Citation: „Adolf Otto, Kriegstagebuch des Kurhessischen Jägerbataillons Nr. 11 aus Marburg, 1914-1918, Abschnitt 11: Gegenwehr französischer Kräfte“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/10-11> (aufgerufen am 07.05.2024)