Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources


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Seite 42-43

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Seite 44-45

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Seite 46-47

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Seite 43: Deutsche Soldaten in den Ruinen von Flabas

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Seite 46: Soldaten des Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 39 (Max Müller durch x gekenzeichnet) unmittelbar vor dem Angriff bei Verdun

↑ Tagebuch des Trainsoldaten und Infanteristen Max Müller aus Kassel, 1914-1916

Abschnitt 9: Vorbereitungen zur Schlacht um Verdun

[42-46]

1916

Heute ist der 1. Tag des neuen Jahres für mich aber der letzte Urlaubstag. Marie hat mir noch allerhand gute Sachen eingepackt, Schokolade, Rotwein, Wurst, Cognac und eine herrliche Spickbrust. Die will ich mir in V[alenciennes] gut schmecken lassen. Abends um 9.43 bin ich gefahren. Ich bin nur froh, daß Marie bei Fritz1 ist, so kann sie ihr doch die trüben Gedanken vertreiben. Um 4.00 bin ich am (2.) [Januar 1916] anderen Tag in V[alenciennes] und erhalte die Nachricht, daß mein Regiment schon 7 Tage fort ist. Eine schöne Schweinerei, was jetzt tun? Regiment soll in Sedan liegen. Ich meinen Affen aufgehuckt (?), zur Bahn und nach S[edan] gegondelt. In S[edan] war das Regiment auch nicht mehr, schon weiter nach Montmidi2. Ich also nach M[ontmidi]. Hier ist das Reg. vor 24 Std. abgerückt nach Ecoury3, also ich auch nach E. Unterwegs traf ich einen Feldwebel von 4/39 dem es so ähnlich erging wir mir. Unterwegs trafen wir einen Brotwagen von 4/39, wir drauf und los nach Damvillers4. Hier hoffte ich meine Komp. zu finden, Kuchen, die liegt in Wravillers5. Zum guten Glück traf ich unsere [S. 43] Bagage und brauchte so den weiten Weg nicht zu Fuß gehen. Nach mancherlei Irrfahrten kamen wir am 7. Januar glücklich in Wraville an und fanden auch noch unsere Komp[agnie]. Das war ein Hallo, als ich meine Rundreise erzählte. 7 Tage bin ich immer hinter der Komp[agnie] her. Mein Quartier war eine bessere Räuberhöhle. Vergleiche darf man nicht ziehen. – Wir bauen eine neue Stellung in der Schlucht vor Flabas6, einem ehemaligen Dorf, heute sind nur noch Ruinen da. Unterwegs wurden wir vom „alten Esel“ (1870er Geschütz) mit Schrapnells überrascht, die aber keinen Schaden anrichteten.

{Foto: Deutsche Soldaten in den Ruinen von Flabas}

[S. 44] Im Februar scheint es irgend was zu geben, es bereitet sich etwas vor. Jeder Mann empfängt außer seinen 60 Patronen noch 150.Wir werden geimpft, werfen Handgranaten und erhalten Unterricht über Anwendung der Verbandspäckchen. Am 6. II. [1916] marschieren wir nach Brehéville7. Da hier keine anständigen Quartiere sind, werden Zelte gebaut, die wir mit Zweigen vertarnen. Heute haben wir Sturmangriff geübt, dabei Reléeposten als Telefonersatz ausgestellt. Am Nachmittag wurden uns Flammenwerfer vorgeführt, einfach vernichtend. Ein etwa 15-20 m langer Strahl verbrennt alles, was mit ihm in Berührung kommt. Es geht wirklich los. Offensive beginnt am 18. II. [1916]. Vorher (10. II.) [1916] Gottesdienst mit Abendmahl. Da die Kirche in ein Feldlager verwandelt ist, findet die kirchliche Feier im Freien statt. In der Kirche dichter Zigarren- und Pfeifenqualm, an den Wänden stehen die Gewehre. Zwischen den Bänken auf Stroh liegen die Kameraden. Selbst der hohe Glockenstuhl dient zur Lagerstatt, im Uhrenkasten hat der Sanitäter sein Heim aufgeschlagen. Von unseren Helmen wurden die Spitzen entfernt. Es regnet, regnet. [S. 45] Wir haben sehr unter Regen und Kälte zu leiden. Ich habe heute Nacht sehr gefroren, trotz meiner zwei Decken und des Rockes, in dessen Ärmel ich meine Füße gesteckt hatte. Es regnet ununterbrochen. Heute Befehl, daß die Offensive um 24 Std. (also auf den 19. II. [1916]) verschoben wird. Wir liegen auf der faulen Haut und treiben allerhand Unsinn. Galgenhumor! Es geht los. 19. II. [1916] 8.30 Abrücken in die Stellung nach Flabas. Kurz nach 12.00 bekamen wir heftiges Artilleriefeuer, das bis 2.00 dauerte. Nachmittags mußten wir unsere verschütteten Gräben wieder säubern. Abends 6.00 rückten wir in die franz[ösische] Stellung, die von 4/39 durchbrochen war. Unsere Artillerie hatte gut vorgearbeitet, alles kurz und klein geschossen. In Verdun waren 15 Volltreffer zu verzeichnen. Plötzlich kam der Befehl: „Handgranaten schärfen“. Nun wußten wir Bescheid. Im Morgengrauen des 22. II. [1916] besetzten wir den Waldrand. Wir machten es uns gerade gemütlich, als wir von vorn und rechts M.-G.-Feuer bekamen. Eine schöne Schweinerei. Im Wald waren noch 2 Blockhäuser, die wir übersehen hatten und die knallten nun lustig auf uns los. Plötzlich [S. 46] unheimliche Ruhe. Wir erwarteten den Feind. Der kam aber nicht. Na, dann mußten wir hin. Kurz, ehe wir aus dem Graben wollten, machte ein Kam[erad] noch eine Aufnahme.

{Foto: Deutsche Soldaten im Graben, vor dem Angriff}


  1. "Fritz" ist der vo Max Müller häufig gebrauchte Kosename für seine Frau Frieda.
  2. Montmédy, Stadt im Département Meuse etwa 48 km nördlich von Verdun.
  3. Wahrscheinlich Écurey-en-Verdunois, etwa 25 km nördlich von Verdun.
  4. Damvillers, französischer Ort im Département Meuse, etwa 25 km nördlich von Verdun.
  5. Wavrille, südlich Damvillers, etwa 20 km nördlich von Verdun.
  6. Heute Moirey-Flabas-Crépion, Département Meuse, etwa 18 km nördlich von Verdun.
  7. Bréhéville, Ort im Département Meuse, etwa 30 km nördlich von Verdun.

Persons: Müller, Max
Recommended Citation: „Tagebuch des Trainsoldaten und Infanteristen Max Müller aus Kassel, 1914-1916, Abschnitt 9: Vorbereitungen zur Schlacht um Verdun“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/179-9> (aufgerufen am 23.04.2024)