Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Karl Rühl, Auszug und erste Kriegswochen des Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 116 aus Darmstadt und Gießen, 1914

Abschnitt 3: Aufstellung des Regiments in Luxemburg und Belgien

[12-13]
2. Auftakt.

Noch war der Aufmarsch der Angriffsarmeen nicht beendet. II. und I. werden in die Verschleierungstruppen eingereiht, welche die in ihrem Rücken stattfindenden Aufmarschbewegungen zu verdecken haben. Am 16. 8. erhält das Regiment vom VIII. A.K. den Befehl, mit I., einer Eskadron, einem M.G.-Zug und einer Radfahrerkompagnie Bastogne (Belgien) zu besetzen, die Bahnstrecke Wiltz—Bastogne von der Grenze zu sichern und westlich bis in Linie Givroulle—Flamierge—Sibret— Clochimont aufzuklären. Das Bataillon trifft am 16.8. 12.00 nachts in Bastogne ein und quartiert im Priesterseminar. Der Bahnschutz Bastogne—Grenze wird von 1. Komp. ausgeführt, die 3. Komp. besetzt Libramont, 25 km westlich Bastogne, dicht an den französischen Vortruppen, ein Zug der 2. Komp. die Fliegerstation Henervirle. Eine Proklamation an die Bevölkerung wird erlassen, Bürgermeister und [S. 13] angesehene Bürger werden als Geiseln festgenommen, Wasserwerk, Elektrizitätswerk und Post werden gesichert.

II. überträgt am 16.8. der 7. Komp. (Klein-Bettingen) den Bahnschutz Luxemburg—Arlon ausschließlich beider Städte. 6. Komp. übernimmt die Bahnhofswache in Arlon. Die nächsten Tage vergehen bei I. und II. in häufigen Alarmierungen, die zumeist blind sind. Sich verdichtende Nachrichten vom Anmarsch französischer Heereskavallerie in schwächeren und stärkeren Gruppen, die Bedrohung des fraglos wichtigen Eisenbahnknotenpunktes Arlon durch die etwa 22 km südlich gelegene, stark vom Feinde belegte Festung Longwy, die tatsächlich erfolgte Aufklärungsarbeit feindlicher Radfahrerkompagnien und Eskadronen lassen äußerste Vorsicht geboten erscheinen. Alle Maßnahmen zur Verteidigung des Bahnhofs, der Brücken, Unterführungen usw. werden getroffen, die auf die Stadt von der Feindseite zuführenden Straßen werden durch starke Feldwachen gesichert, bereits ausgehobene Schützengräben verstärkt. Rege Patrouillentätigkeit wird ausgeübt. Auf dem Marktplatz thront ein vorsintflutliches schweres Geschütz, das mehr durch sein Aussehen als durch seine Wirkung Schrecken zu erregen geeignet erscheint. An einem dieser Tage wurden zwei belgische Sanitäter (gestempelte Binden: croix rouge belge) der 5. Komp. auf dem Bahnhof eingeliefert. Sie waren beschuldigt, deutsche Verwundete mit dem Revolver erschossen zu haben. Bei dem sofort vom Komp.-Führer vorgenommenen Verhör entwischten sie unter Zurseitestoßen der Posten und wurden, in den Bahngeleisen flüchtend, niedergeschossen. Die Tage in Arlon waren recht unruhig: allerdings konnte die Truppe glänzend verpflegt werden, wozu in hohem Maße ein dicht bei Arlon gelegenes Kloster beitrug. Dies verfügte über eine solch ungeheure Menge von Lebensmitteln aller Art, daß die vorhandenen Ordensbrüder wohl an die 20 Jahre bequem davon hätten leben können. Bemerkt sei hier noch, daß überall ordnungsgemäß Requisitionsscheine ausgestellt wurden, auch für die beschlagnahmten Kraftwagen, die nach einer abenteuerlichen Fahrt von Lt. Rühl dem U.O.K. in Trier abgeliefert wurden.


Persons: Rühl, Karl
Places: Bastogne · Wiltz · Givroulle · Flamierge · Sibret · Clochimont · Libramont · Henervirle · Klein-Bettingen · Luxemburg · Arlon · Longwy · Trier
Keywords: Landwehr Infanterie-Regiment Nr. 116 · Truppenaufmarsch · Verschleierungstruppen · Maschinengewehrtruppen · Radfahrerkompagnien · Fliegerstationen · Geiselnahme · Geiseln · Zivilbevölkerung · Waasserwerke · Elektrizitätswerke · Bahnschutz · Bahnhofswachen · Patrouillen · Geschütze · Kriegsgräuel · Sanitäter · Rotes Kreuz
Recommended Citation: „Karl Rühl, Auszug und erste Kriegswochen des Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 116 aus Darmstadt und Gießen, 1914, Abschnitt 3: Aufstellung des Regiments in Luxemburg und Belgien“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/112-3> (aufgerufen am 19.04.2024)