Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Franz Goldschmitt, Kriegserlebnisse evakuierter Metzer Bürger in Hessen, 1914-1915

Abschnitt 2: Aufruf zur Evakuierung der Bewohner von Metz

[7-8] Am 10. August ließ der Herr Bürgermeister von Metz folgendes anschlagen:

„Mitbürger, Mitbürgerinnen!
Die Eigenschaft der Stadt Metz als Grenzfestung erfordert unter allen Umständen, auch ohne besondere Veranlassung, eine absolute Bereitschaft für alle Fälle und darum eine möglichste Herabsetzung der den Verpflegungsetat belastenden Bevölkerungszahl. Viele [S. 8] ihrer Einwohner werden zudem den Wunsch haben, ihren Familien einen ruhigen, vom Kriegsschauplatz entfernteren Aufenthalt gewährt zu sehen, wie es für die Offizier- und Beamtensamilien bereits möglich gemacht worden ist. Ich habe deshalb sofort bei Erklärung des Kriegszustandes für solche Mitbürger und Mitbürgerinnen, welche Metz zu verlassen wünschen, jenseits des Rheins um Gastfreundschaft gebeten. Die ist in entgegenkommenster Weise in dem schönen Cassel und der Provinz Hessen-Nassau gewährt worden. Die Verhandlungen sind nunmehr abgeschlossen. Allen Mitbürgern und Mitbürgerinnen, die von dieser Vergünstigung Gebrauch zu machen wünschen, wird dort neben freier Reise, auf Kosten der Stadt Metz gute Unterkunft und Verpflegung während der ganzen Dauer des Aufenthalts gewährt werden. Solche Personen, die zur Zeit nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und sich für eine ausreichende Zeit zu verproviantieren, kann nur dringend geraten werden, von diesem Anerbieten Gebrauch zu machen, da sie sonst unter Umständen der Ausweisung durch das Kaiserliche Gouvernement ausgesetzt sind, bei welcher dann kostenlose Fahrt und kostenlose Unterbringung durch die Stadt nicht gewährt werden. Die Züge werden in den nächsten Tagen bereit stehen. Für die Sicherung des hier zurückgelassenen Gutes und der Habe der Fortgehenden wird ausreichend Sorge getragen werden. Ich bin gewiß, daß, wohin meine lieben Metzer aber kommen, sie dem Namen der deutschen Stadt Metz Ehre machen werden. Anmeldungen nehmen die zahlreichen Stellen entgegen, die auf den Plakaten angegeben, welche in jeder Straße angeschlagen worden sind.

Metz, den 10. August 1914.

Der Bürgermeister: Dr. Foret."


Die Leute zögerten hin und her. Es meldeten sich nur sehr wenige. Am 17. und 18. wurden die von Gemeindeunterstützung lebenden Armen zwangsweise abgeschoben, am 19. andere von der Polizei bezeichnete Familien.

Am 18. kam folgende Bekanntmachung: „Im Interesse der Metzer Einwohnerschaft müssen noch rund 12.000 Einwohner die Stadt verlassen und zwar am 19. d. Mts. 3000 mit zwei im Laufe des Nachmittags abgehenden Zügen, die übrigen am 20 . . . . Die in [S. 9] Betracht kommenden Familien werden vorher benachrichtigt. Die abwandernden Familien haben wohlwollende Fürsorge und freundliche Aufnahme jenseits des Rheins zu erwarten. Wer der Aufforderung nicht Folge leistet, hat polizeiliche Ausweisung zu gewärtigen, und geht der Aussicht auf fürsorgliche Beförderung und Unterbringung verlustig . . . .

Metz, den 18. August 1914.
Der Militärpolizeimeister
Frh. v. Bodenhausen, Generalmajor."


Recommended Citation: „Franz Goldschmitt, Kriegserlebnisse evakuierter Metzer Bürger in Hessen, 1914-1915, Abschnitt 2: Aufruf zur Evakuierung der Bewohner von Metz“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/99-2> (aufgerufen am 25.04.2024)