Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Wilhelm Neuhaus, Landsturm-Infanterie-Bataillon Hersfeld, 1914-1915

Abschnitt 4: Abfahrt nach Sottegem und dortige Einquartierung, 24.10.1914

[Teil I, S. 1-6] [5-6] Am 24. Oktober morgens stand wieder unser alter Zug, der uns aus Hersfeld entführt hatte, und der noch mit dem Grün aus seinen Wäldern von Damenhand geschmückt war, bereit, um das Bataillon nach Sottegem, einem Eisenbahnknotenpunkt westlich von Brüssel, zu bringen. Gegen 10.30 Uhr fuhren wir ab. So weit das Auge reicht, eine weite Ebene, besetzt mit kleinen Dörfern und Städten, fast alles Weiden, auf dem zahlreiche Viehherden weideten. Kaum hier und da ein Wäldchen, nur kleine Erlen und Pappelbestände, ein Bild des Friedens und der Stille. Nur eine zerstörte Eisenbahnbrücke, eine mächtige Luftschiffhalle, an der fleißig gebaut wird und die Wachtposten längs der Bahnlinie zeigen, daß auch hierhin der Krieg seine Wellen geworfen hat. Um 3 Uhr ist Sottegem erreicht, ein Städtchen von etwa 4000 Einwohnern, das einen recht freundlichen Eindruck macht. Aber von unserer Ankunft ist der Herr Bürgermeister recht wenig erbaut, und möchte uns gern in ein paar Sälen auf dem blanken Fußboden ein Nachtquartier anweisen. Da aber unsere Vorgesetzten der Meinung sind, daß wir auf bessere Unterkunft Anspruch haben, so zieht unsere Kompagnie zugweise vor die Bürgerhäuser und weist jedem Hause, das noch nicht von dem Württemberger Landsturmbataillon Horb, das hier schon garnisoniert, belegt ist, je nach seinem Aussehen und seiner Größe einige Mann zwangsweise zu. Da ist sicher mancher nicht mit allzufroher Miene empfangen und ihm nur widerwillig eine Lagerstatt eingeräumt worden, aber was halfs, so ist der Krieg, und die Sottegemer mußten sich dreinfügen. Aber mancher Landstürmer wird wohl zu Nacht sein Gewehr geladen und in greifbare Nähe gestellt haben. Doch alles blieb ruhig, die Sottegemer hatten wohl aus dem Beispiel [S. 6] Löwens1 eine heilsame Lehre gezogen. Da anzunehmen war, daß wir in Sottegem längere Zeit bleiben würden, richteten wir uns häuslich ein. Die Kompagnie requirierte zwei große Kochkessel und baute in dem Hof einer Gastwirtschaft die Kompagnieküche aus, die uns nunmehr eine geregelte Verpflegung zukommen lassen wollte. Die Sanitäter hatten in dem vor der Stadt gelegenen Hospital eine passende Revierstube für Kranke gefunden.


  1. Leuven, ca. 31 km von Brüssel entfernt.

Persons: Neuhaus, Wilhelm
Places: Hersfeld · Leuven · Zottegem
Keywords: Eisenbahnlinie · Kompanien · Unterkunft · Württemberger Landsturmbataillon Horb
Recommended Citation: „Wilhelm Neuhaus, Landsturm-Infanterie-Bataillon Hersfeld, 1914-1915, Abschnitt 4: Abfahrt nach Sottegem und dortige Einquartierung, 24.10.1914“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/21-4> (aufgerufen am 25.04.2024)