Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Wilhelm Neuhaus, Landsturm-Infanterie-Bataillon Hersfeld, 1914-1915

Abschnitt 8: Unterbringung und Verpflegung

[Teil II, S. 7-13] [8-10] Nun aber nach diesem kurzen Ueberblick über die Eigenart von Land und Leuten zurück zu uns selber. Wir waren in der Kaserne der Stadt einquartiert. Die Gebäude waren ehemals ein Damenkloster, genannt die Abtei von Maegdendale (val des vierges), das durch die französische Regierung 1796 aufgehoben und seit 1826 für militärische Zwecke in Anspruch genommen wurde. Der größere Flügel diente als Artillerie-Kaserne, der kleinere als Militärschule, zur Ausbildung von Offizieren, die aus dem Unteroffizierstande hervorgingen. Die [S. 9] belgische Armee hat bekanntlich zwei Arten von Offizieren, solche, die (in der Kriegsschule von Brüssel) akademisch vorgebildet und solche, die von unten herauf gedient und ihre Befähigung durch eine besondere Prüfung, zu der u. a. die Audenarder Schule vorbereitete, erwiesen haben. Unsere Kompagnie lag in den Räumen dieser Schule. Sie hatte wiederholt durchziehenden deutschen Truppen als Nachtquartier gedient, die begreiflicherweise, da ja jeder nur für die eine Nacht und nicht weiter sorgte, ein unbeschreibliches Chaos hinterlassen hatten. Ich werde den Augenblick nie vergessen, der sich mir in einem Schulraum in der ersten Nacht, als wir uns noch nicht häuslich eingerichtet hatten, bot. Da lagen in wirrem Durcheinander Briefe, Uniformen, Schuhe, Waffen, Schülerhefte dienten als Kopfkissen, die Schulbänke als Lager – sie gaben später ein gutes Brennmaterial für uns ab – die schönen großen Landkarten lagen auf der Erde und in eine von Europa hatte sich fürsorglich ein braver Landstürmer eingehüllt, als wolle er symbolisch andeuten, daß der deutsche Musketier von der Vorherrschaft in Europa Besitz ergreift. Nach ein paar Tagen aber war Ordnung und Reinlichkeit geschaffen und allmählich kehrte sogar etwas Behaglichkeit ein. Die Verpflegung erhielten wir durch die Kompagnieküche, der wir unsere volle Anerkennung aussprechen müssen. Sie hat getan, was sie konnte, um uns mit guter, nahrhafter Kost zu versorgen. Unsere Metzger schlachteten und wursteten selbst, das aufgekaufte Getreide ließen wir mahlen und durch unseren Kompagniebäcker verbacken. Es wird vielleicht interessant sein, zu erfahren, welche Menge Nahrungsmittel so eine Kompagnie verbraucht. Wir benötigten wöchentlich durchschnittlich 1 Rind von ca. 11 Ztr. Lebendgewicht, 3 Schweine von ca. 7 Ztr. und 4 Hammel von ungefähr 2,5 Ztr. Schlachtgewicht, 21 Ztr. Kartoffeln, 50 – 60 Pfund Kaffee und ca. 30 Ztr. Getreide. Die Beschaffung der Lebensmittel machte keine großen Schwierigkeiten, da das Land reich ist und noch verhältnismäßig wenig vom Kriege gelitten hat. Den Bürgermeistern der Ortschaften wurde die Lieferung von einer bestimmten Menge gegen von der Kompagnie ausgestellte Gutscheine auferlegt, die in den meisten Fällen auch glatt erledigt wurde. Die Kartoffeln wurden mit 2 Mark, der Hafer mit 9 Mark, [S. 10] Weizen zuerst mit 9, später bis zu 13 Mark pro Zentner berechnet. Roggen war kaum zu haben.


Persons: Neuhaus, Wilhelm
Places: Hersfeld · Oudenaarde
Keywords: Abgaben · Militärschule · Offiziere · Requisitionen · Truppe · Unterkünfte · Verpflegung
Recommended Citation: „Wilhelm Neuhaus, Landsturm-Infanterie-Bataillon Hersfeld, 1914-1915, Abschnitt 8: Unterbringung und Verpflegung“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/21-8> (aufgerufen am 25.04.2024)