Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Wurster, Trostbüchlein für die Trauer um die fürs Vaterland Gefallenen, 1918

Abschnitt 7: Seite 24-27: Williger dienen

ins Wachstum des inneren Lebens. Anfangs hast du gemeint, du machest es nicht durch, oder du kommest nicht drüber weg oder das Leben habe keinen rechten Wert mehr. Es wird ganz anders herauskommen. Der Anfang war hart, bis der Wille hergegeben war. Auf das Gehorsamsopfer kam der Glaube, dann die Überwindung der mancherlei Anfechtungen und damit die Stärkung des Glaubens, dann die feste Verbundenheit mit Gott und immer größere Gewißheit. Anfangs hieß es: ich will glauben trotz der Trübsal; dann kam: nun glaube ich, daß mich Gott gerade durch die Trübsal segnen will; endlich aber darfst du sagen mit dem Apostel: wir rühmen uns der Trübsal, weil sie die Schule ist, in der es von Stufe zu Stufe geht: Geduld, Bewährung, Hoffnung, wies es Röm. 5,1-5 steht.

Lies von der Tränensaal Psalm 126, von dem: ich werde ihm noch danken, Psalm 42 und 43 (42, 6 und 12; 43,5), von der Trübsal, die Herrlichkeit bringt 2. Kor. 4, 7—18. Lied: Warum sollt' ich mich den grämen; Was Gott tut, das ist wohlgetan; Gott will's machen; Der Herr ist gut; Herzlich [S. 25] lieb hab ich: Die Gnade wird doch ewig sein.


Williger dienen.

„Das Leben ist mir entleidet" — wie oft hören wir das aus dem Munde der Trauernden. Andere sagen: "ich habe Lust abzuscheiden und bei Christo zu sein" und meinen, das sei fromm geredet. Es ist unfromm, und ist eine Unehre für den, der im heißen Kampfe für das Vaterland gefallen ist. Leisten, schaffen hat er etwas wollen und hat es auch getan. Er hat sein Leben hergegeben. Gib du es auch her, nicht in billigen und weichen Todesgedanken, sondern gib es für dein Vaterland her, für die Deinigen, für die, welche dich brauchen! Dann erst bist du des Verstorbenen wert!

Du fragst, was du dem Vaterland nützen könnst? Ist es dein Ernst, daß du fragst? Alles, was du an deinem Platze tust mit Drangabe deiner Kraft, gehorsam deinem Gott, im Andenken an den, der sich fürs Vaterland geopfert hat, noch mehr, dem Gott zu lieb, den du in deiner Trauer neu gefunden hast, das alles ist ein Opfer fürs Vaterland. Es brauchen nicht besondere [S. 26] Dinge zu sein; wahrscheinlich gibt dir dein geschäftlicher und häuslicher Beruf Arbeit genug. Die tue recht, mit mehr Freudigkeit, weil du besser gelernt hast als zuvor, was du dem Ganzen schuldig bist! Man hat zu sehr nach seinen Rechten gefragt und Ansprüche gemacht, ehe der Krieg kam. Immer nur von dem Staat, von der Gesellschaft, von dem Kreis, zu dem man gehört, verlangen, das war der Geist, dem Tausende und Abertausende verfallen waren. Deswegen war's nie genug, was man bekam, und gab es so viele mißmutige und verdrießliche Gesichter, obgleich es uns äußerlich besser ging als unseren Vätern und Großvätern. Der Opfersinn, der Gemeinsinn, die willige Bruderliebe hat gefehlt! Ein Kennzeichen des Niedergangs. Nun ist ja in der Kriegszeit ein anderer Geist mit Macht durchgebrochen. Mit welcher Freude haben wir das gesehen! Es soll nicht wieder vertrocknen, wenn der Friede kommt. Bei euch soll es wie ein Vermächtnis des Gestorbenen sein: weiten Blick! weites Herz! nicht sich leben! Es wird ja alles viel schöner, das Leben viel reicher, die Arbeit viel befriedigender, wenn man das, was man tunkann, soll und darf [S. 27] dem Ganzen, dem Volk, dem Vaterland zum Opfer bringt. Vergiß es nicht!

Es hilft dir den Schmerz überwinden, wenn du die tägliche Arbeit so ansiehst. Nicht zur Betäubung soll sie dienen, nein. So haben es manche Trauernde angesehen,haben sich in ein Meer von Arbeit gestürzt, um sich zu vergessen. Sie können sich doch nicht entfliehen, so wenig als die andern, die sich - welche Oberflächlichkeit ! - im Strudel des Vergnügens vergessen wolle. Selbstbetrug!

Ganz anders dient uns die Arbeit, wenn mir sie tun im Dienste Gottes und unserer Nächsten. Da ist Segen. Dadurch kommen wir über den toten Punkt hinüber. Hier können wir ruhig werden in täglicher Übung des rechtschaffenen Gehorsams und des Glaubens, der einfältig im besten Sinn, also kindlich nimmt und gibt. Wer ein schweres Leid durchlebt hat, ist am besten zu gebrauchen, namentlich wenn es sich um besonders schwere, verleugnungsvolle Aufgaben handelt. Sie fürchten die Welt nicht mehr so leicht. Sie sind durch die Schule des Opferns gegangen. Sie haben sich hergegeben; nun können sie sich hergeben, wo


Persons: Wurster, Paul
Keywords: Trostbüchlein
Recommended Citation: „Wurster, Trostbüchlein für die Trauer um die fürs Vaterland Gefallenen, 1918, Abschnitt 7: Seite 24-27: Williger dienen“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/102-7> (aufgerufen am 26.04.2024)