Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Wurster, Trostbüchlein für die Trauer um die fürs Vaterland Gefallenen, 1918

Abschnitt 2: Seite 4-7: Gott will es !

[S. 4]

Fürs Vaterland! Jeder einzelne tut seine Schuldigkeit; so allein gelingt's. Ihr seid in allem Schmerz doch stolz darauf, daß der Verstorbene mit dabei gewesen ist, daß auch sein Blut hat dazu helfen müssen, den schweren Kampf, der uns aufgedrungen worden ist, mitzukämpfen. Aus jeden kommt es an, und doch — was ist einer? Wo Tausende fallen in diesem Sterbejahr, was ist da der einzelne! Er ist dir mehr gewesen als Tausende, aber in der großen Rechnung für das Vaterland ist er eben einer wie viele. „Der gefallen ist wie ein andrer Mann" so sprich tapfer und denke: wie du, so haben es unendlich viele im deutschen Land. Manche, viele haben es wohl schwerer. Natürlich meint ein jedes, sein Jammer sei der größte: aber sieh was Ärmere als du geopfert haben, die den Ernährer hergeben mußten und nun nichts als Sorgen vor sich sehen, oder die den einzigen Sohn drangaben oder bei denen mehr wie ein Opfer verlangt worden ist! Wir dürfen uns jetzt nicht vergraben in den persönlichen Schmerz. "Ein jeglicher sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was des andern ist". Das ist ein lauter Zuruf, den diese eiserne Zeit an uns richtet; wir wollen ihn hören. Die [S. 5] Stände, die Parteien, die Klassen, vorher einander so fremd und fern - jetzt werden sie durch den ehernen Ring der gemeinsamen Not zusammengeschmiedet, verbunden auch durch die gemeinsamen Opfer. So wollen wir's zusammen tragen, dessen gewiß, daß kein Opfer umsonst war. Fürs Vaterland ist es gebracht, und die solltest, du durftest es bringen.

Lies von der opferbereiten Liebe 1. Joh. 3, 16. Jesus der Vorkämpfer im Gehorsam Phil. 2, 1-11 und Hebr. 12, 1-3.


Gott will es!

Du hättest nicht gedacht, daß das Opfer so schwer ist. Wenn es den Eigenen trifft, dann ist es etwas anderes als solange es nur Bekannte und entfernter Verwandte gilt, oder solange man ans große Ganze denkt. Den anderen kann man prächtig davon sagen, wie schön der Tod für König und Vaterland sei; andere man man trösten, aber wenn's nun um das teure Leben des Eigenen geht! Da kommt das bittere Warum und will sich nicht vertreiben lassen. Zu Zeiten, [S. 6] ja, da wird das Herz still bei dem Gedanken, daß das Opfer für's Vaterland gebracht ist. Aber dann kommen wieder ganz andere Stunden und trübe Gedanken. Der gleiche Gott, der die starken Gefühle der Liebe und Treue zum Vaterland uns ins Herz pflanzte hat doch die stärkeren Gefühle der Elternliebe, Gattenliebe, Geschwisterliebe uns ins Herz gegeben. Nun kämpft ein Gefühl gegen das andere. Dem Vaterland willst du das Opfer bringen, aber das Herz blutet und will sich nicht trösten lassen. Schäme dich dessen nicht. Andern ist es auch so gegangen. Sie hatten das Opfer gebracht in Gottes Namen; aber so in einem Anlauf ging's nicht. Es muß um den rechten Trost ehrlich gerungen werden. Menschliche Trostgründe fallen zusammen wie ein Kartenhaus. Wo ist der gewisse Trost?

Gott will dieses Opfer fürs Vaterland von dir. Das ist allein der sichere Grund, auf dem Trost aufgebaut wird. Man wird so leicht bitter ins einem Leid. Aber dadurch wird alles nur schwerer. Was hilft uns der Zorn gegen die frevelhaften Menschen, welche diesen Krieg heraufbeschworen haben? Er weckt die Toten nicht auf. Wir haben ein Recht zur Entrüstung, [S. 7] aber die dieses Recht in Taten umsetzen, stehen draußen vor dem Feind. Mit Tränen und Verwünschungen übt man es nicht aus. Die draußen wehren sich mit ehrlichem, tapferem deutschem Mut und mit gutem Gewissen, der besten Ausrüstung, die ein Heer haben kann. Es ist Gottes Wille, daß sie ihr Leben einsetzen bei diesem Kampf; ihm gehorchen sie und geben ihr Blut her wie der, um den du klagst. Willst du weniger tapfer sein im Gehorsam? Willst du des Verstorbenen wert sein? Dann bring das Opfer in Gottes Namen. Wehr dich drum, daß du es bringest ohne Bitterkeit, einfach weil es so sein soll.

Es mag ja sein, daß das Opfer derer, die daheim bleiben, größer ist, sobald es Tote zu betrauern gilt. Draußen einige Wochen, vielleicht nur Tage die Mühsal tragen, dann mit Heldenmut hinein in den Kampf und fallen; daheim ein langes Trauern, ein jahrelanges Kämpfen, lebenslanges Tragen. Aber so will es Gott! So ist es dir beschieden. „Weigere dich nicht der Züchtigung des Allmächtigen" (Hiob 5, 17)!

Aber — ist es denn wirklich Gottes Wille gewesen, daß ein solcher Weltkrieg


Persons: Wurster, Paul
Keywords: Trostbüchlein
Recommended Citation: „Wurster, Trostbüchlein für die Trauer um die fürs Vaterland Gefallenen, 1918, Abschnitt 2: Seite 4-7: Gott will es !“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/102-2> (aufgerufen am 24.04.2024)