Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Wurster, Trostbüchlein für die Trauer um die fürs Vaterland Gefallenen, 1918

Abschnitt 6: Seite 20-23: Gewißheit

müssen wir immer wieder hinein in denselben Kampf! Wenn die Züchtigung da ist, hat ein Apostel gesagt, dessen Namen wir nicht kennen, der aber jedenfalls sachverständig gewesen ist in einer Zeit, die wohl noch schwerer gewesen ist für die Christengemeinde als die unsrige, - wenn die Züchtigung da ist, dünkt sie uns nicht Freude sondern Traurigkeit z sein (Hebr. 12, 11 u.d. folgenden Verse). Da kommen also auch Stunden, in denen es aussieht, als sei alles Täuschung, Betrug, Selbstbetrug. Komm, sprich dein tapferes Dennoch! Das hat schon der Psalmdichter gesprochen in den Glaubensworten, die wir uns vorsagen dürfen in schweren Stunden: Psalm 73, 23—26. Wir haben noch viel mehr Recht zu dem trutzigen Dennoch. Jesus, der Anfänger und Vollender unseres Glaubens, wie ihn der Schreiber des Hebräerbriefs nennt (12, 2), hat am Kreuz auch nichts mehr von der Nähe seines Gottes empfunden: „mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" das ist der Notschrei aus seiner Anfechtung heraus gewesen. Nun ist er unser Wegbereiter, der uns einen gewissen Zugang zu Gott erkämpft hat, der für uns einsteht mit dem köstlichen [S. 21] „für euch", das unser Labsal bei jedem Abendmahl ist. Wenn er sagt: seid getrost, ich habe die Welt überwunden, so gilt das für uns, ob wir die Herrlichkeit seines Siegs empfinden oder nicht.

Nicht auf die Empfindung kommt es an, sondern darauf daß Gottes Verheißung gilt. Wenn ich auch gar nichts fühle von deiner Macht; Du führst mich doch zum Ziele auch durch die Nacht. Mag mein Glaube zu Zeiten elend sein — nicht auf die Stärke meines Glaubens kommt es an, sondern darauf, daß mich mein Gott festhält, bei dem kein Wechsel ist wie bei uns. Einer unserer Väter hat gesagt: „Gott hat die Seligkeit nicht gelegt in deinen Griff, sondern in den Ergriffenen, welcher ist Christus." Ihn sieh an und lebe es innerlich durch, wie er durch das Gethsemaneopfer zum Kreuzesleiden, zum Überwinden und zur Herrlichkeit gekommen ist, alles für dich! Es gilt! „Mein Ergreifen und Halten ist leichtlich wieder losgemacht, sein Ergreifen und Halten ist desto fester".

Lies Matth. 5. 1-9. II. 25-30, 26, [S. 22] 36—46. Joh. 14, das ganze Kapitel, ebenso 15 und 16 (Vs. 33!). Röm. 8, 31—39. Lied: Der Glaube bricht durch Stahl und Stein; Ist Gott für mich, so trete; Christen erwarten in allerlei Fällen; Ein' feste Burg ist unser Gott; So nimm denn meine Hände


Gewißheit.

Wird der Schmerz mit der Zeit schwächer werden und nach und nach aufhören? Er soll nicht aushören. Das Brennen und Nagen hört gewiß auf, wenn die Seele stille geworden ist. Man soll sich nicht immer wieder hineinbohren und beinahe künstlich und absichtlich den ganzen Jammer des Anfangs erneuern und erhalten wollen. Gottes freundliche Ordnung ist, daß die Wunde nicht mehr blutet und heftig wehe tut, so man nur gehorsam sich unter seine Hand beugt. Aber das ist uns nicht verheißen, daß die Wunde ganz zuheilt. Sie soll offen bleiben.

Den Verstorbenen vergessen, mit dem Schmerz, mit der Trauer um ihn aushören wäre Untreue. Wir wollen gar nicht, daß die Liebe aufhöre; wo aber Liebe ist zu [S. 23] einem Heimgegangenen, da ist auch Schmerz. Was nun? Wollen wir immer wieder für ihn kleine rührende Gedenkfeiern halten? Wenn wir den Platz nicht genau wissen, wo er gefallen ist und ihm nicht auf dem Friedhof ein besonderes Grab schaffen können, das wir pflegen, wollen wir dann sein Andenken durch immer neue Tränen ehren? Davon hat er nichts und wir auch nichts. Wir wollen den Schmerz behalten, wie ihn Gott uns gibt, aber nicht auf besondere Weise pflegen. Viel wichtiger ist, daß wir durch die Trauer bleibend in Gottes Hand gegeben sind. Der Schmerz soll das Türchen sein, zu dem Gott allezeit zu uns eintreten kann. Darum ist es ganz gut, wenn er ab und zu wieder kräftiger aufwacht. Da will Gottes Stimme wieder deutlicher an uns ergehen und prüfen, ob wir Glauben gehalten haben. Nie wieder gleichgültig, nie wieder leichtfertig werden, nie mehr vom Gebet ablassen! Das seien die starken Bande, mit denen wir uns binden lassen, und dazu soll uns das Andenken des teuren Verstorbenen gesegnet sein. Diese Frucht soll uns wachsen aus seinem Tod.

So geht es dann ins Leben hinein, also


Persons: Wurster, Paul
Keywords: Trostbüchlein
Recommended Citation: „Wurster, Trostbüchlein für die Trauer um die fürs Vaterland Gefallenen, 1918, Abschnitt 6: Seite 20-23: Gewißheit“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/102-6> (aufgerufen am 27.04.2024)