Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Wurster, Trostbüchlein für die Trauer um die fürs Vaterland Gefallenen, 1918

Abschnitt 5: Seite 16-19: Das Dennoch des Glaubens

fragen, warum denn ihre Gebete gar nichts geholfen haben. Wie inbrünstig hat man für die ausziehenden Krieger gebetet, die ganze Gemeinde, der Kreis der Familie, jedes einzelne, das um eine teure Seele Sorge trug! Und nun alles umsonst? Hat das Beten keinen Wert? Oder nur bei ganz besonders auserwählten Menschen, zu denen du eben nicht gehörst? Oder ist Strafe in der Heimsuchung gewesen? Mußt du fragen, vorwurfsvoll und ängstlich zugleich: womit habe ich das verdient? Hörst du, wie die Versuchung geschäftig ist, dich um alles zu bringen, was du an Glauben und Gehorsam gewonnen hattest?

Es wäre eine schlechte Art von Beten, wenn es nur daraus ankäme, seine Wünsche Gott vorzutragen, recht oft oder recht eindringlich, und er — hätte nichts anderes zu tun, als sie gehorsam zu erfüllen. Das ist nicht die Meinung, wenn mir im Namen Jesu, unseres Herrn, beten. Er hat seine Bitte auch vor seinem Vater ausgeschüttet, wie wir es tun, und wie wir es dürfen: mein Vater ist's möglich? So hat er gefragt, indem er bat. Aber er hat dann die Antwort gehört: du sollst den Kelch trinken; und dann [S. 17] hieß es: so geschehe dein Wille. Das heißt redlich gekämpft! Dein gebet man stürmisch und leidenschaftlich gewesen sein, oder innig und fromm; glaube nicht, daß es darum hätte erfüllt werden müssen, gerade so, wir du dir's gedacht hast. es mag schwach und in den Worten ungeschickt gewesen sein; darum hat es der Allwissende doch gehört, er, der das stille Seufzen wohl vernimmt und zu deuten weiß. Aber laß ihm das Recht zu entscheiden. Bist du doch nicht Regente, der alles führen soll; Gott sitzt im Regimente und führet alles wohl.

Aber die Strafe! Stehen wir so zu Gott, daß wir rechnen dürften oder rechnen müßten: so viel tue ich, dann ist er verpflichtet so viel zu tun, und umgekehrt? Bei dieser Rechnung kämen wir schlecht weg. Gottlob, daß wir nicht so mit Gott zu handeln brauchen. Natürlich sind wir vor ihm allezeit schuldig, haben immer Versäumnisse und beschließen jeden Tag mit einem Defizit in der göttlichen Rechnung. Aber das ist ja das Köstliche, daß er nicht mit uns abrechnet wie ein Herr mit seinen Tagelöhnern; er vergibt Sünden, er "handelt nicht mit uns nach unseren Sünden und [S. 18]

vergilt uns nicht nach unserer Missetat". So spricht schon der Psalmdichter aus dankerfüllter Seele. Wir aber, die wir Jesus Christus kennen, der zu den Sündern gegangen ist sie zu retten, der gelitten hat und gestorben ist als der Heiland unserer Seelen, wir dürfen erst recht so sprechen: lobe den Herrn, meine Seele (Ps. 103)! Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein? So triumphiert der Apostel (Röm. 8, 31). Ist Gott für uns ? Er ist mit Jesus gewesen und ist heute mit allen, die ihm gehören. Das ist Evangelium; das ist Trost!

Also ein trutziges, freudiges Dennoch gesprochen, wenn die Anfechtung kommen will! Wenn ich's auch gar nicht verstehe, warum Gott gerade mit mir diesen Weg geht, warum gerade jetzt und gerade so: dennoch! Wenn die Frage wieder kommt: hat das Beten vielleicht keinen Wert? geht vielleicht eben doch alles nach harter unbarmherziger Notwendigkeit, ohne daß wir Sinn und Verstand, vollends Weisheit und Güte einer höheren Hand annehmen dürften, - nur durchgebrochen: dennoch! Wenn es dir wieder zu schaffen macht, es sei alles nur Strafe gewesen, die nun eben gelitten werden müsse, [S. 19] dann sprich: ich habe freilich nichts Gutes von meinem Gott verdient, aber das ist das Große, daß ich dennoch sagen darf! Dennoch will er mich segnen! Die zu ihm kommen, will er nicht hinausstoßen; er will die müden Seelen erquicken; die Mühseligen und Beladenen will er erquicken; den Leidtragenden gilt sein Selig. Also dennoch: seine Verheißung gilt, nicht um meiner Vortrefflichkeit oder Frömmigkeit willen, sondern weil er so freundlich ist und den zerschlagenen, gedemütigten Herzen sich aufschließt, weil er Sünden vergibt und so unser Leben vom Verderben erlöst, von dem inneren Tod.

Aber - heute hast du alles glauben können und warst so selig darin, konntest dein Leid vor Gott bringen und hast von ihm Erquickung und neues Leben bekommen; ein andermal ist alles wieder weg! War es am Ende doch nur schöner Schein, was du geglaubt hast ? Hast du dich eben vielleicht selber getröstet oder von Menschen trösten lassen mit schönen Worten, die heute helfen, morgen aber nicht mehr ?

Wundere dich nicht, daß die Anfechtung wieder kommt. Jesus hat ,ehr als einmal in Gethsemane gebetet. Wie viel mehr


Persons: Wurster, Paul
Keywords: Trostbüchlein
Recommended Citation: „Wurster, Trostbüchlein für die Trauer um die fürs Vaterland Gefallenen, 1918, Abschnitt 5: Seite 16-19: Das Dennoch des Glaubens“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/102-5> (aufgerufen am 24.04.2024)