Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Wurster, Trostbüchlein für die Trauer um die fürs Vaterland Gefallenen, 1918

Abschnitt 4: Seite 12-15: Das Dennoch des Glaubens

wohl gemacht hat und nur Gutes im Sinn hat mit denen, die um sie trauern, und mit unserem ganzen Volk, der ist gut dran. Im Glauben ist Federkraft! Aber das Glauben ist jetzt so schwer.

Kann ich glauben, daß dieser Massentod junger, gesunder, kräftiger Männer Gottes guter, gnädiger Wille ist ? An der Straße sitzen die Alten, Gebrechlichen, denen das Leben eines Last ist; auf dem Krankenwagen führt man den Gelähmten vorbei, und in den Anstalten sind so viele Schwachsinnige, Blöde und andere, die nichts von dem Leben haben und von denen man nichts hat als daß man Liebe an ihnen beweisen kann. Warum leben sie? warum mußten die andern in den Tod?

Und doch: Gott ist ein Gott, der lebendig macht und Leben erhält. Menschen vernichten Leben, jetzt in der schrecklichen Form des Massenkriegs. Gott hat seinen guten Gedanken dabei, Gedanken des Friedens und nicht des Leids. Er sieht jetzt freilich zu, wie er vorher auch zugesehen, scheinbar gleichgiltig und herzlos, bei all dem Elend, das in der Welt ist. Jetzt sieht man es nur mehr beisammen und näher bei uns, auch in größerem Maß. Gott kann warten und kann [S. 13] züchtigen mit starker Hand. Sein Herz ist darum doch ein Vaterherz weise und sehr gütig. Er will jetzt mit unserem Volk reden so, daß alle es hören und verstehen. Früher, so lange Friede war, haben nur wenige seiner gedacht. Ging's gut. so hat man ihm wenig oder gar nicht gedankt, hat gemeint, man habe Anspruch aus Glück und gute Tage, war mit sich wohl zufrieden und daher vielleicht umso unzufriedener mit Gott, wenn es einmal anders ging als unsere Wünsche gehofft und gerechnet hatten. Jetzt ist die große Not da. Wir sehen alle, was wir nicht sind und nicht vermögen, und viele suchen jetzt wieder ihren Gott, die ihn vergessen und verloren hatten. Daraus kann eine Neugeburt unseres Volkes kommen, und alle die, welche jetzt leiden — das sind die Leidtragenden zuerst — dürfen mit lernen und mit helfen, daß es eine Umkehr bei uns gibt. Es ist wie eine große weltgeschichtliche Probe, die der Allmächtige veranstaltet und die zeigen soll, ob wir ihn suchen und finden wollen. Bestehen wir sie, dann hat er noch Größeres mit unserem Volk vor, erweckt es zu neuem Leben und neuer Kraft; andernfalls stirbt es dahin, wie so viele vor ihm. [S. 14]

Es ist also eine göttliche Notwendigkeit, in die wir uns schicken dürfen, die wir glauben dürfen. Kein Opfer ist zu groß, wenn die Liebesgedanken des Herrn mit uns verstanden werden, wenn wir in der Not lernen, wo die starken Wurzeln unserer Kraft sind. Sie heißen nicht Geld und äußere macht; davopn mögen wir jetzt ein gut Stück verlieren. Sie heißen auch nicht Glaube an Deutschlands Bestimmung, denn ein absteigendes Volk, das bequem wird, in Genußsucht und Veräußerlichung verweichlicht, das Gott nicht mehr fürchtet und darum heute ruhmredig und trotzig ist, morgen verzagt, ein solches Volk hätte eben keine große Bestimmung mehr. Nirgends steht geschrieben und nirgends ist uns verheißen, daß Deutschlands Stern überhaupt nicht untergehen könne. Was sich an den Völkern erfüllt hat, die welk wurden und verdarben, das müßte auch unser Los sein, so schmerzlich es für uns alle wäre, die ihr Vaterland lieben mit glühendem Herzen. Aber es kann alles wieder gut werden; unser Volk braucht sich nicht im Parteihader und im Klassenhaß zu verbluten, braucht nicht innerlich zu verarmen und an den Mächten des Verderbens, die [S. 15] wir leider nur zu gut kennen als die großen Feinde unserer Jugend insbesondere, faul und wurzelkrank zu werden; es kann und wird wieder in die Tiefe geführt werden, und Gott wird wieder neu mit ihm anfangen, so daß ein besseres Geschlecht aufwächst, wenn wir jetzt seine Stimme hören. Wer aber jetzt recht leidet, also nicht nur jammert und weint, sondern lernt und glaubt, der leidet mit für sein Volk, und keines von euch bringt dann sein schweres Opfer umsonst.

Lies über Gottes Gedanken Jeremia 29, 11—14. Klaglieder Jerem. 3, besonders von Vs. 22 an. Jesaja 40, 27—31. Lied: Es jammre wer nicht glaubt; Von Gott will ich nicht lassen; Gott ist getreu; Ich weiß, woran ich glaube; Gott will's machen.


Das Dennoch des Glaubens.

Es kommen Anfechtungen, die den Glauben töten wollen. Wundere dich nicht darüber. Der Kampf des Glaubens ist wie andere Kämpfe: die Anläufe wiederholen sich,und nur wer bis ans Ende beharret, der gewinnt's.

Ein Aber macht manchen zu schaffen. Sie [S. 16]


Persons: Wurster, Paul
Keywords: Trostbüchlein
Recommended Citation: „Wurster, Trostbüchlein für die Trauer um die fürs Vaterland Gefallenen, 1918, Abschnitt 4: Seite 12-15: Das Dennoch des Glaubens“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/102-4> (aufgerufen am 25.04.2024)