Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Wurster, Trostbüchlein für die Trauer um die fürs Vaterland Gefallenen, 1918

Abschnitt 3: Seite 8-11: Ich will glauben

entbrannte? Stimmt es mit dem Glauben an Gottes Liebe, Barmherzigkeit, Allmacht, an alles, was wir von Gott gelernt haben und was so schön zu sagen und zu glauben ist, ehe die große Not und Traurigkeit kommt, stimmt das dazu, was im Krieg geschehen darf? Kann Gott ruhig zusehen, wie Menschen zu Tausenden aufeinanderprallen, entschlossen den Gegner zu verwunden oder zu töten? Warum gebietet er nicht Halt, ehe die furchtbaren Waffen gebraucht werden? Warum haben die, welche diesen Krieg entfesselten, mit Lug und Hinterlist ihr Werk treiben dürfen? Warum hat Gott nicht das ehrliche Wollen unseres Kaisers gesegnet, das auf Erhaltung des Friedens gerichtet war? Warum? Kann man da nicht irre werden in seinem Glauben?

Nur dann, wenn man keinen Glauben hatte oder nicht warten kann. Jesus hat gesagt: es muß ja Ärgernis kommen; doch wehe dem Menschen, durch welchen es kommt. Auch das Böse, das Furchtbare, das Unbegreifliche läßt Gott zu und braucht es in seiner Regierung der Welt. Auch der Krieg muß ihm dienen wie Erdbeben und Gewitter. Zuletzt wird es heißen, wie wir schon in der [S. 9] frühesten Kindheit aus der biblischen Geschichte gelernt haben: sie gedachten es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte des gut zu machen. Wollen wir das glauben, dann müssen wir stille sein und warten können. Unser Gott schreibt seine Gedanken nicht vor aller Welt Augen an den Himmel. Wir lernten nie glauben, das heißt also, wir kämen nie zur tröstlichen, köstlichen Erkenntnis des göttlichen Willens, wenn Gott unserem Glauben nicht etwas Ordentliches zu tun gäbe. Sehen ist nicht glauben. Dem verborgenen Gott Gutes zutrauen, auch da, wo man in das Geheimnis seiner Wege noch nicht hineinschauen darf, das ist der Weg zur Erkenntnis des offenbaren Gottes.

Jetzt heißt uns Gott schweigen und folgen. Schweigen nicht im Trotz, der spricht: nun glaube ich bald gar nichts mehr und ist mir alles eins; schweigen auch nicht mit der bitteren Frage: womit habe gerade ich das verdient? schweigen ebensowenig mit der stumpfen Gleichgültigkeit, die nichts weiter weiß als das trostlose: es ist nun eben so, ein unbegreifliches Schicksal, gegen das man nichts machen kann. Nein. Kämpfe die Bitterkeit nieder, weg mit dem Trotz! Vor [S. 10] Dem Allmächtigen gewinnst du nichts damit. Seine Gedanken sind höher als die unsrigen. Bring das Opfer recht!

Der erste Schritt heißt: gehorchen und schweigen. Nicht als stünde vor uns Gottes Weg als bloßes unbegreifliches Rätsel. War nicht Jesu Tod für viele Augen zuerst auch nur ein Rätsel? Wir aber sehen darin den Schlüssel für das Verständnis der Wege Gottes und rühmen sein Kreuz als unser Heil. Warum? Da zeigt sich unserem Glauben die große Ordnung in Gottes Regiment. Durch Opfer geht's! In den Tod muß Leben gegeben werden, damit Leben werden kann! In den Boden muß das Weizenkorn und sterben; so nur kann es viele Frucht bringen.

Diesen Weg geht Gott nun auch mit unserem Volk und mit dir im besonderen. Viel muß geopfert werden, und das Beste geht vom Herzen weg. Geld und Gut, Macht und Wohlfahrt, es ist gar nicht auszurechnen, wie viel davon jetzt in wenigen Wochen verloren geht. Aber das größte Opfer ist das Blutopfer. Das sollen wir bringen, damit wir als Volk unser Leben behalten, ja auf eine höhere Stufe unserer Geschichte kommen. [S. 11] Wenn Gott nicht etwas Gutes mit dir im Sinn hätte, dann hätte er gerade von dir das schwere Opfer nicht verlangt. Er will mit dir tiefer hinunter und höher hinauf. Wie das zugehen soll? Da laß ihn machen. Werde still und red ihm nichts darein; gehorche wie Jesus gehorcht hat, als er das große Opfer seines Lebens brachte uns zu lieb, uns zu gut!

Sprich wie 1. Sam. 3, 18; Psalm 39, 10 und Hiob 1, 21. Halte dich an Jes. 55, 8 und 9; Joh. 12, 24-26; Joh. 13, 8. Bete mit Psalm 42, 62 (Vs. 6-9!); 37 (Vs. 7!); 71 (Vs. 3!); 57; 25. Lied: O mein Herz gib dich zufrieden; Meine Seel ist stille; Was mein Gott will, gescheh allzeit; Mein Gott, du bist und bleibst mein Gott.


Ich will glauben.

Man kann nicht auf die Dauer gehorchen bei einem so schweren Verlust, wenn der Gehorsam nicht aus dem Glauben kommt. Aber glauben ist schwer. Wir spüren's wohl: wer in solchen Zeiten glauben kann, glauben, daß alles zum guten Ende führen muß, daß es Gott auch mit den Gefallenen


Persons: Wurster, Paul
Keywords: Trostbüchlein
Recommended Citation: „Wurster, Trostbüchlein für die Trauer um die fürs Vaterland Gefallenen, 1918, Abschnitt 3: Seite 8-11: Ich will glauben“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/102-3> (aufgerufen am 25.04.2024)