Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Die deutsch/deutsche Grenze zwischen Hessen und Thüringen - Erinnerung anhand von Denkmälern, Februar 1967

Wohl keine andere Stadt an der innerdeutschen Grenze zwischen Hessen und Thüringen liegt so im Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit, wie das hessische Philippsthal. In der Stadt an der Werra liegt in unmittelbarer Nähe die Grenze zum thüringischen Vacha. Die Grenzziehung und Teilung Deutschlands hat alte, lang bestehende Beziehungen zwischen den Orten zerstört. Um die Bevölkerung Philippsthals und zahllose Besucher des Ortes ausreichend über die Grenzbefestigungen und Maßnahmen des DDR-Regimes zu unterrichten, hat auf Betreiben des Leiters des Zollkommissariats der bundesdeutsche Grenzzolldienst im Februar 1967 eine Informationsstelle eingerichtet.
Anhand verschiedener Ausstellungsstücke wird den Interessierten der Aufbau und die Organisation der Grenzanlagen der DDR erklärt, über geglückte und gescheiterte Fluchtversuche berichtet und allgemein das Leben der Menschen jenseits der Grenze dargestellt. Exponate sind hierfür u.a. Filme, ein Sandkastenmodell zur Erläuterung des Grenzabschnitts bei Philippsthal und zum Teil kuriose Utensilien, wie beispielsweise ein Holzschuh, den ein DDR-Flüchtling angefertigt hat, um über den Stacheldrahtzaun der Sperranlagen zu gelangen.
Seit der Grenzöffnung ist die Informationsstelle offiziell ein Museum, Träger der Einrichtung ist die Gemeinde Philippsthal. Die Ausstellung wurde vergrößert; unter anderem ist ihr eine Bilddokumentation angefügt, die die Öffnung der Grenze beschreibt.

Mit dem „Haus auf der Grenze“ befindet sich ein weiterer Erinnerungsort in Philippsthal, der seit langem bildhaft für die Probleme und Absurditäten steht, die die innerdeutsche Grenzziehung mit sich bringt. Das Haus der Familiendruckerei Hoßfeld in Philippsthal-Weidenhain, dass der Verleger und Buchdrucker Adam Hoßfeld im Jahr 1890 erbaute, lag bereits zur damaligen Zeit sowohl auf hessischem als auch thüringischem Gebiet. Da der Haupteingang der Druckerei und ein Teil des Gebäudes auf der Ostseite liegt, sah sich die Familie Hoßbach gezwungen, diesen Hausabschnitt zuzumauern und einen neuen Eingang auf der westlichen Seite zu errichten. Erst 1972 kommt es zu einer Neuvermessung der Grenze und mit Wirkung vom 1. Januar 1976 gibt die DDR den nunmehr thüringischen Teil zur neuerlichen Nutzung durch die Eigentümer frei.
1995 beschließt der Gemeindevorstand Philippsthal, eine Informationstafel vor dem mittlerweile außer Betrieb stehenden Druckereigebäude zu errichten, um die Erinnerung an eine der spektakulärsten Kuriositäten, welche die innerdeutsche Grenze hervorbrachte, wachzuhalten. Zukünftige Planungen sehen vor, aus dem Gebäude eine Begegnungsstätte und eine Grenzmuseum entstehen zu lassen.
Eine weitere wichtige Erinnerungsstätte und zugleich ein ehemaliger Kristallisationspunkt der internationalen Beziehungen und der deutschen Teilung befindet sich bei Rasdorf. Gemeint ist der legendäre Point Alpha. Hier richtet die US-Armee auf dem der Stadt nahe gelegenen Berg eine Beobachtungsstation, Observation Point Alpha ein. Zunächst als provisorischer Stützpunkt gedacht, entwickelt sich dieser strategisch wichtige Punkt zu einer zentralen Station der Amerikaner und der NATO in der Zeit des Kalten Krieges. Von hier aus kann der thüringische Ort Geisa gesichtet werden, der zugleich die westlichste Stadt der ehemaligen DDR ist und an dem Grenztruppen des SED-Regimes stationiert sind. In den Planungen der westlichen Mächte gewinnt gerade dieser Ort immense Bedeutung, da hier von einem möglichen Angriff der sowjetischen Kräfte auf Deutschland ausgegangen wird. Bereits 1954 errichten amerikanische Panzeraufklärungseinheiten einen hölzernen Beobachtungsturm, der 1971 durch einen betonierten ersetzt wird. Ebenfalls befinden sich einige Baracken für die Unterbringung der Soldaten hier, die im ca. 30 Kilometer entfernten Fulda stationiert sind. Durch die ständige Präsenz der amerikanischen Soldaten im hessischen Rasdorf entwickeln sich gute Beziehungen und Freundschaften zur Bevölkerung. 1992 geben die Streitkräfte ihre Stellung aufgrund der Wiedervereinigung auf.
Bestrebungen, einen Erinnerungsort zu schaffen, gibt es schon zur Zeit der Grenzöffnung. 1995 entsteht der Verein Grenzmuseum Rhön/Point Alpha e.V.. Im weiteren entsteht eine Mahn-, Begegnungs- und Bildungsstätte, um jenes Auge und Ohr zum Osten (Orte des Erinnerns, S. 233) nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Das Grenzmuseum befindet sich zu großen teilen sowohl auf hessischem als auch thüringischem Gebiet. Drei ehemalige Baracken zeigen in Wechselausstellungen die Geschichte des Point Alpha, die Geschichte des Kalten Krieges und die der innerdeutschen Teilung. Der ehemalige Beobachtungsturm ist weiterhin begehbar. Auch eine Rekonstruktion der einstigen Sperranlagen wird en détail gezeigt, inklusive Streckmetallgitterzaun, LKW-Sperren, Hundelaufanlage, Signalzaun, Erdbunker und einem Grenzwachturm. Am 13. August 2000, anlässlich des Jahrestages des Mauerbaus, wird ein fünf Meter hohes Denkmal der deutschen Teilung erbaut. Es setzt sich aus drei Holzstelen zusammen, die die deutsche Teilung und Wiedervereinigung symbolisieren. Zwei Platten sind durch einen Riss getrennt und stehen vor einer dritten ungeteilten Platte Als Inschrift ist niedergeschrieben: Wir sind das Volk/Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört.
Eine weitere Informationsstelle befindet sich im hessischen Ort Tann, im Landzipfel der hessischen Rhön, der wie ein Pilz nach Thüringen hineinragt (Orte des Erinnerns, S. 234) 1987 errichtet das Zollgrenzkommissariat mit Unterstützung des Ministeriums für innerdeutsche Beziehungen eine Informationsstelle Grenze zur DDR. Auch nach der Grenzöffnung wird das Projekt weiter betrieben. Durch zeitgenössische Presseberichte, Fotos, diverse Exponate und einen Videofilm wird die Geschichte der deutschen Teilung und der innerdeutschen Grenze dargestellt. Mittels eines Modells können Besucher die Sperranlagen der Grenze nachvollziehen. Nicht unerwähnt bleibt auch der Zollgrenzdienst und dessen Aufgaben. Zu sehen sind weiterhin Waffen, Uniformen und andere Utensilien von NVA-Grenzsoldaten.
Von großem Interesse ist auch das Dokumentationszentrum zur deutschen Nachkriegsgeschichte in Wanfried.Die Dokumentationsstelle entsteht aus der Initiative Wanfrieder Zollbeamter, die nach der Grenzöffnung in Ungarn Dokumente, Zeitungsartikel und Fotos über die massenhafte Flucht von DDR-Bürgern über Ungarn in die Bundesrepublik sammeln. Im Mai 1992 wird schließlich im Keudellschen Schloss in Wanfried das Zentrum eröffnet. Hier ist historisches Material in vielfältiger Form vorhanden, unter anderem Unterlagen zum sogenannten Wanfrieder Abkommen, welches den Gebietsaustausch zwischen Hessen und Thüringen 1945 regelt. Insgesamt sind in dem Dokumentationszentrum über 400 Publikationen zur Geschichte der deutschen Teilung zugänglich. Des Weiteren sind Fotos und Videofilme vorhanden. Ein wesentlicher Punkt der Darstellung betrifft das Dorf Großburschla, welches bis 1989 geteilt war. Der Bahnhof des Ortes liegt auf der hessischen Seite, der Ort selbst in Thüringen.
Im hessischen Wildeck-Obersuhl hat sich der ortsansässige Geschichtsverein dafür eingesetzt, dass letztendlich am 3. Oktober 2005, anlässlich des Tags der deutschen Einheit, ein Museum eröffnet wird, dass sich mit der Grenzgeschichte der Region auseinander setzt. Mit Fotos und Exponaten werden die verschiedenen Ausbaumaßnahmen der Grenze dargestellt, Aufgaben von DDR-Grenztruppen sowie die Arbeit des bundesdeutschen Zollgrenzdienstes erläutert. Von besonderem Interesse ist ebenfalls, dass das Schicksal von fünf Flüchtlingen, die von der DDR in die Bundesrepublik fliehen wollten und dabei getötet wurden, hier dokumentiert ist. Der erste bekannte Tote dieser Region stirbt beim spazieren gehen an der Grenze durch einen Schuss eines sowjetischen Grenzsoldaten. Wie viele Tote es tatsächlich bei Fluchtversuchen in dieser Region gab, ist nicht bekannt.
(MW)

Belege
Empfohlene Zitierweise
„Die deutsch/deutsche Grenze zwischen Hessen und Thüringen - Erinnerung anhand von Denkmälern, Februar 1967“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4274> (Stand: 9.9.2020)
Ereignisse im Januar 1967 | Februar 1967 | März 1967
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