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Topografie des Nationalsozialismus in Hessen

Übersichtskarte Hessen

Merxhausen, Landesheilanstalt

Merxhausen, Gemeinde Bad Emstal, Landkreis Kassel | Historisches Ortslexikon
Klassifikation | Nutzungsgeschichte | Indizes | Nachweise | Abbildungen | Zitierweise
Klassifikation

Kategorie:

Verfolgung

Subkategorie:

Euthanasie 

Nutzungsgeschichte

Beschreibung:

Die Landesheilanstalt Merxhausen war eine psychiatrische Versorgungseinrichtung, in der überwiegend Frauen untergebracht waren. Sie war an der Durchführung des nationalsozialistischen "Euthanasie"-Programms beteiligt. Patientinnen und Patienten wurden im Rahmen der "Aktion T4" in die "Zwischenanstalten" des Regierungsbezirks Hessen-Nassau und von dort aus in die Tötungsanstalt Hadamar verlegt.

Nach Inkrafttreten des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (GzVeN) erfolgten in den Jahren 1934 und 1935 eine große Zahl an Zwangssterilisationen an Patientinnen in Merxhausen.

Ab Juli 1937 wurden mindestens 150 Patientinnen aus konfessionellen psychiatrischen Versorgungseinrichtungen nach Merxhausen verlegt. 96 Patientinnen stammten aus der evangelischen Anstalt Hephata Treysa, 31 Patientinnen aus Bethel und 23 Patientinnen aus der katholischen Anstalt St. Antoniusheim Fulda. Die Transporte erfolgten primär aus wirtschaftlichen Gründen. Darüber hinaus stellte der Bezirksverband Hessen-Naussau so einen direkteren staatlichen Zugriff auf die Patientinnen sicher. Nach Kriegsbeginn erfolgten weitere Transporte aus der grenznahen Heil- und Pflegeanstalt Merzig/Saar.

Wie in vielen anderen Einrichtungen gehörten jüdische Patientinnen auch in Merxhausen zu den ersten Mordopfern der zentralisierten Mordphase. Im Herbst 1940 wurden 18 von ihnen aus Merxhausen erst nach Gießen und von dort mit weiteren acht aus Marburg und 30 aus Haina in die Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel transportiert und ermordet. Ab 1941 erfolgten die Transporte der nichtjüdischen Patientinnen aus Merxhausen in die hessischen „Zwischenanstalten“. Am 29.5.1941 wurden 155 Frauen und zehn Männer aus der Landesheilanstalt Merxhausen nach Herborn gebracht. Weitere Patientinnen und Patienten wurden in die „Zwischenanstalt“ auf dem Eichberg verbracht.

Durch permanente massive Überbelegung und Kostenreduzierung der Verpflegung verschlechterten sich die Zustände auch in Merxhausen. Vergleichbar zu anderen Ursprungsanstalten vieler Patientinnen und Patienten wie Haina und Marburg, stieg in der Folge die Sterblichkeit von durchschnittlich 5,3 % auf 8,6 % in 1939.

In 1942 lag die Sterberate in Merxhausen bei 13,2 % und in 1944 bei 17,2 %. Noch im ersten Jahr nach Kriegsende starben 12,1 %. Erst ab 1947 Jahren sank die Sterblichkeit unter den Patientinnen und Patienten merklich.

Am 1.9.1941 wurden etwa 470 Soldaten zeitweise in einem Reservelazarett der Wehrmacht untergebracht, das in einem Teil der Landesheilanstalt eingerichtet wurde. Die Wehrmacht beschlagnahmte neun Häuser für die medizinische Versorgung der Soldaten. Nur noch Vier Häuser standen den Patientinnen und Patienten der Anstalt zur Verfügung.

Unter den Leidtragenden der NS-"Euthanasie" in Merxhausen waren auch ausländische Personen. Mindestens sechs der in Merxhauen untergebrachten polnischen und sowjetischen Zwangsarbeiterinnen wurden in den Jahren 1943 und 1944 von der „Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten“ abgeholt und wahrscheinlich in Hadamar ermordet.

Nutzungsanfang (früheste Erwähnung):

1934

Nutzungsende (späteste Erwähnung):

1944

Nutzung nach NS-Zeit:

Heute betreibt Vitos gGmbH in Bad Emstal eine Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie.

Indizes

Orte:

Merxhausen · Hadamar · Gießen · Eichberg · Herborn

Sachbegriffe:

Euthanasie · Gesundheitswesen · Verfolgung · Zwangssterilisation

Nachweise

Literatur:

Zitierweise
„Merxhausen, Landesheilanstalt“, in: Topographie des Nationalsozialismus in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/nstopo/id/98> (Stand: 18.2.2024)