Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Fritz Sames, Das Landwehr-Infanterie-Regiment 81 in den Vogesen, 1914

Abschnitt 6: Der erste Marsch

[7-8] Der erste Marsch begann. Eine siechende Sonne brannte am wolkenlosen Himmel. Es perlte der Schweiß auf den geröteten Stirnen. Die Helme schoben sich in den Nacken. Die Hälse reckten sich vor, gleichsam um der Last der ungewohnten Tornister ein Gegengewicht zu geben. Man begann, ihn als „Affen" zu schelten; immer schwerer hing er sich um die Schultern. Dunstig flimmernd dehnte sich die Landstraße, schattenlos. Wenige Kilometer, da saß schon ein Mann am Straßenrand, lupfte den Helm. Bald ein zweiter, dritter. „Wo laafe mer dann hin?" — ließ sich jetzt der dicke Wehrmann aus Sachsenhausen vernehmen. „Ich glaab, des is e Irrtum, der Straßburger Parrtorm werd ja immer klääner. Des hält ja ka Mensch net aus bei dere Hitz!" — „Schorsch, des is dei eige Schuld" — erwiderte sein Nachbar — „wärst de mehr uf de Feldberg geloffe, so ging der'sch jetzt besser." — „Wer kann for sei seßhaft Natur" — ächzte Schorsch. — „Hätt ich doch e Aeppelwei!" — Dann sagte er nichts mehr. Erst war sein Gesicht rot, dann wurde es blau. Dann rasselte es dumpf, und der Dicke lag im Straßengraben. „Hitzschlag" meinte der Sanitäts-Unteroffizier, der ihm die schweratmende Brust lüftete. Immer mehr Marschschwache schieden ans. Der Arzt war vom Pferde gestiegen, fühlte den Puls und stand ratlos da. Die Schlappen mußten liegen bleiben. So blieben sie zurück, während der graue Heerwurm weiter¬kroch. Vorausgeeilte Kommandos hatten in den Dörfern die Einwohner zum Herausstellen von Wassergefäßen veranlaßt. Schweigend standen die Bauern vor ihren Häusern und sahen zu, wie die Durstigen gierig nach dem Wasser langten, es über Kopf und Hände gossen. Kein ermunternder Zuruf wie drüben über dem Rhein, kein freundliches Nachwinken beim Weitermarsch. Zum Henker, war man denn hier nicht auf deutschem Boden? Waren es nicht zuallererst die wohlhabenden Dörfer, die gesegneten [S. 8] Gärten und Felder dieses Landes, vor denen ein Wall deutscher Waffen gezogen wurde, um französischer Zerstörungswut zu wehren? Bitter würgte es in den Kehlen der Marschierenden.


Persons: Sames, Fritz
Places: Sachsenhausen · Straßburg
Keywords: Apfelwein · Durst · Enttäuschung · Hitzschlag · Landwehr-Infanterie-Regiment 81 · Tornister · Witterung
Recommended Citation: „Fritz Sames, Das Landwehr-Infanterie-Regiment 81 in den Vogesen, 1914, Abschnitt 6: Der erste Marsch“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/47-6> (aufgerufen am 27.04.2024)