Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Fritz Sames, Das Landwehr-Infanterie-Regiment 81 in den Vogesen, 1914

Abschnitt 3: Erste Vorbereitungen (6.-7. August 1914)

[3-4] Im Bereiche der Festhalle herrschte ein brausendes Durcheinander. Mit äußerster Aufbietung ihrer Stimmittel gelang es den Feldwebeln endlich, Ordnung zu schaffen. Die Massen sonderten sich zu gleichmäßigen Verbänden — die Kompagnien entstanden. Prüfenden Blickes übernahmen die Kompagnieführer ihre noch so bunten Scharen. Doch der Gleichtritt, mit dem sie zu ihren Einkleideräumen abrückten, zeigte den soldatischen Kern.

Die Bestände der Kammern waren von den Kompagnieführern übernommen und mit Möbelwagen nach den Einkleidungsplätzen geschafft worden. Hierzu standen in Bockenheim Schulen und geräumige Wirtschaftssäle bereit. Die Wagen wurden geöffnet und der Inhalt durch Türen und Fenster, in jedem Fall auf dem kürzesten Wege in's Innere geschafft. Die liebe Schuljugend war mit glühendem Eifer dabei. Unter dem Rufe: „Wir wollen auch helfen", fing ein Zerren, Schleppen und Trappeln an, Packs von Mänteln bewegten sich treppauf wie wandelnde Pilze. Der Boden der Säle bedeckte sich rasch und bunt mit Rüststücken, und während noch unter dem Jauchzen der Kinder die Monturen hereinflogen, begannen schon die Leute, sie zu verpassen. Die Schlankeren hatten ihr Zeug rasch zusammen; die Wohlbeleibten suchten, ruckten und quälten sich lange. „No Schorsch, Du wirst Dir zwei Koppel anenanner nähe [S. 4] müsse“, lautete der Zuruf an einen wohlbeleibten Wehrmann aus Sachsenhausen.

„Schorsch" mußte nicht nur dieses tun, sondern auch seine Beinkleider durch einen Hinterzwickel erweitern lassen.

Der Einkleidung voraus und nebenher gingen ärztliche Untersuchungen der Mannschaften. Für die als untauglich Befundenen mußte schleunigst Ersatz angefordert werden. Ein frischer Schwall strömte hinzu; ein neues Wühlen unter den Monturstücken begann.

Man steckte so tief in seinen Mobilmachungsvorbereitungen, daß man der folgenschwersten Entscheidung, Englands Eintritt in den Krieg, keine entsprechende Beachtung schenkte.

Trotz all der Schwierigkeiten war am anderen Tage die Einkleidung vollendet. Die Mannschaften hatten jetzt Waffen und Munition zu empfangen. Was mancher unter dem verwirrenden Getriebe der Einkleidung schier vergessen hatte, der Sinn alles dessen, was sich hier in treibender Hast vollzog, trat Allen hart vor die Augen, als mit den Gewehren jedem Mann zwölf gewichtige Päckchen gereicht wurden — die scharfe Munition. Ob man auch dazu käme, diese mattblinkenden Spitzgeschosse gegen den Feind zu verwenden? Die Aussicht dazu erschien nicht gar groß. Man war der festen Meinung, daß die aktiven und Reserve-Regimenter schon ganz alleine mit dem Feinde fertig werden würden. Auch hieß es, das Regiment sei zur Festungsbesatzung von Straßburg ausersehen. In der Tat war am Abend des 6. August der Regimentsstab nach Straßburg abgereist. Doch drang bald eine kriegslustige Stimmung durch die Bataillone und schlug die Erwägungen der Möglichkeit, daß das Regiment nur eine matte Verwendung in diesem Kriege finden könnte, aus dem Felde.

Wie ein elektrischer Schlag lies am Nachmittag des 7. August die Nachricht durch Frankfurts Straßen: „Lüttich, die stärkste Festung Belgiens, unter General Emmich genommen. 20 000 Mann gefangen — 400 Geschütze erbeutet!" Ein Jubel ging durch die Stadt und hallte im Regiment wieder.


Persons: Emmich, Otto von · Sames, Fritz · Schorsch, Wehrmann
Places: Belgien · Bockenheim · England · Frankfurt · Lüttich · Sachsenhausen · Straßburg
Keywords: Feldwebel · Gefangene · Jugend · Kriegseintritt · Landwehr-Infanterie-Regiment 81 · Musterung · Munition · Uniformen
Recommended Citation: „Fritz Sames, Das Landwehr-Infanterie-Regiment 81 in den Vogesen, 1914, Abschnitt 3: Erste Vorbereitungen (6.-7. August 1914)“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/47-3> (aufgerufen am 25.04.2024)