Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Fritz Sames, Das Landwehr-Infanterie-Regiment 81 in den Vogesen, 1914

Abschnitt 7: Ankunft im ersten Quartier

[8-9] Der harte Marsch ging zu Ende. Der Wehrmann, der vor dem Kriege seinen Lebenserwerb im derben Handwerk gesucht hatte, spürte außer einer wackeren Müdigkeit nicht eben viel, als er sein Gepäck im Quartier abwarf. Anders stand es mit denen, die jahrelang nur die Feder geführt, im Kontor gesessen und des Körpers Spannkraft eingebüßt hatten. Unter Seufzen hoben sie den Tornister von der schmerzenden Schulter, kaum wagten sie die schweren Stiefel von den wunden Füßen zu ziehen. Fürwahr, es schien doch nicht so leicht, wie es sich in der ersten Begeisterung ausgenommen hatte, das heilige Feuer der Begeisterung für's Vaterland bei munterer Flamme zu erhalten. Die Marschkranken trafen allmählich in den Quartierdörfern ein, teils in humpelnden Trupps, teils auf requirierten Wagen. Auch „Schorsch" kam angefahren. Einige wenige waren den in der Nähe befindlichen Lazaretten zugeteilt worden.

Die Mannschaften hatten in Dörfern westlich Straßburg Unterkunft gefunden. Das I. Bataillon quartierte in Achenheim, Breuschwickersheim, Hangenbieten. Das II. Bataillon lag zum Teil in Oberschäffolsheim, zum Teil wurde es in den Kasematten des Forts „Bismarck" und des Forts „Baden-Bismarck" untergebracht. Das III. Bataillon kam zum großen Teil in Holzheim zur Ruhe. Eine Kompagnie bezog das Fort „Kronprinz von Sachsen".

Das Regiment gehörte jetzt zur Kriegsbesatzung von Straßburg-Westabschnitt, und war dem Kommandeur der stellvertretenden 59. Landwehr- Inf.-Brigade, Generalmajor Rasch unterstellt.

Die Unterbringung der Bataillone war nicht leicht gewesen; es drängte sich eine Menge anderer Truppenteile vor Straßburg zusammen. Namentlich war die Belegung der Dörfer mit Arbeiterkolonnen, Landsturmtruppen und Pionieren eine starke. Man sah ihre Abteilungen mit Schaufeln, Pickeln und Beilen in's Gelände rücken. Es galt, der Festung so rasch als möglich einen weit hinausgeschobenen, mehrfachen Gürtel von Feldbefestigungen umzulegen.

Als unsere jungen Regimenter und dann unsere Wehrleute aus Frankfurt ausrückten, da freute sich Jeder der tadellosen, feldgrauen Monturen, des gediegenen Lederzeuges, der nagelneuen Ausrüstungsstücke. Nichts fehlte. Man nahm dieses mit der Genugtuung der Selbstverständlichkeit hin. Im Festungsbereiche von Straßburg sah man andere Bilder. Die Kerntruppen waren meist schon längst den Franzosen entgegen geworfen worden. Dafür gab es hier jetzt umsomehr Landsturm- und Armierungs-Bataillone. [S. 9] Man hatte für sie die alten blauen Monturen aus dem hintersten Dunkel der Kammer hervorgeholt, Prachtstücke der Verschlissenheit. Viele „Schipper" — diesen Namen hatte ihnen ihre Tätigkeit eingetragen — besaßen nicht einmal diese Ausrüstung vollständig. Der eine trug einen Gehrock, dazu Militärhose und Mütze. Der andere vereinigte den Waffenrock mit dem Strohhut; sogar mit weißem Stehkragen, steifem Hut und Lackschuhen mußte das blaue Militärbeinkleid eine Verbindung eingehen. In dieser schon durch äußere Buntheit ausgezeichneten Truppe fanden sich die allerverschiedensten Berufe und Jahresklassen zusammen. Neben der schwieligen Faust des Bergmannes erprobte der Professor der Mathematik praktisch das Hebelgesetz des Spatens. Hinter halbwüchsigen Burschen schleppte sich der Pfarrer einher, und seine Schultern lernten die Dornen des Stacheldrahtes kennen. Viele Männer dieser Stände hatte der ernste Wille, auch dem Vaterlande zu dienen, und sei es mit unzulänglichen Kräften, freiwillig in die Reihe der Arbeits-Bataillone geführt. In Scheunen und Schuppen, aus Stroh gebettet, ruhten sie enggepfercht zur Nacht.


Persons: Rasch, Generalmajor · Sachsen, Georg von · Sames, Fritz
Places: Achenheim · Baden · Breuschwickersheim · Frankfurt · Hangenbieten · Holzheim · Oberschäffolsheim · Straßburg
Keywords: Erschöpfung · Krankentransporte · Landwehr-Infanterie-Regiment 81 · Lazarette · Pfarrer · Tornister · Uniformen · Unterkünfte · Vaterland
Recommended Citation: „Fritz Sames, Das Landwehr-Infanterie-Regiment 81 in den Vogesen, 1914, Abschnitt 7: Ankunft im ersten Quartier“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/47-7> (aufgerufen am 25.04.2024)