Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Christian Eisenberg, Zwölf Feld-Predigten des Feld-Divisionspfarrers. Zweite Reihe, 1916

Abschnitt 6: Predigt 6: zu Offenb. Joh. 2, 10

[26-28]

Sei getreu bis an den Tod, so will ich Dir die Krone des Lebens geben. Dffenb. Iah. 2, 10.

In dem Herrn geliebte Trauerversammlung!

Als vorgestern Mittag die Nachricht kam: „Major K. ist im b. d. P. gefallen", da wurden viele unter uns traurig. Venn scharf und deutlich empfanden wir den Verlust, den dieser Todesfall für uns bedeutet, vieles von dem, was uns daheim in Friedenszeiten groß und wichtig dünkte, fällt hier draußen dahin. Außere Standesunterschiede, die sonst eine so große Rolle zu spielen pflegen, wollen hier im Feld wenig bedeuten, vor Gott und dem Vaterland gilt hier ein Leben soviel, wie das andere, das des hochgestellten Beamten so viel, wie das des schlichten Mannes, was wahren Wert verleiht, ist hier draußen mehr noch, als sonst im Leben, das, was unser Textwort rühmt: die Treue. Und das war der Grundzug im Tharakter dessen, den wir hier zur letzten Ruhe bringen. Major R. war ein treuer Mann im Vollsinn des Wortes.

Beim Ausbruch des Krieges litt es ihn nicht daheim, obschon er den Jahren nahe war, mit denen das Alter anfängt. Mit Freuden zog er den feldgrauen Rock an und stellte sich seinem König zur Verfügung. AIs man ihm, seinen Jahren entsprechend, einen Platz hinter der Front anwies, wollte ihm das nicht gefallen; er setzte alles daran, in die vorderste Linie zu kommen, und war glücklich, als es ihm gelang. So kam er zu unserer Division, hat ihre ersten Gefechte miterlebt und dann, vor 16 Monaten, diese unsere jetzige Stellung mit bezogen. Er war Forstmann nach seinem Beruf. Als tüchtiger Beamter war er [S. 27] vorwärts gekommen und hatte den grünen Wald, an dem sein Herz hing, mit dem grünen Tisch vertauschen müssen. Wie oft hat er hier im vertrauten Gespräch seiner Freude darüber Ausdruck gegeben, daß es ihm im Krieg wieder vergönnt sei, mehr als daheim in der freien Natur, besonders im Wald zu leben und zu schaffen. Unsere Stellung hier bot ihm dazu reichlich Gelegenheit. Was er als Abschnitts-Kommandeur seines Graben-Gebietes geleistet hat, das wissen seine Vorgesetzten, wie seine Untergebenen, von treuster Pflichterfüllung waren seine Tage in all den langen Monaten ausgefüllt. Am liebsten war er zwischen seinen Leuten. Kein Wetter war ihm zu schlecht, daß er nicht bei Tag oder bei Nacht draußen gewesen wäre; keine Gefahr zu groß, daß er sie nicht treulich mit den Seinen geteilt hätte, in V., unter den Trümmern von P., hier oben im Wald mit seinen Hütten. Mit unermüdlichster Zähigkeit und Treue führte er an der Spitze seines Bataillons den oft so hoffnungslos erscheinenden Kampf gegen das Wasser und drängende Erdreich in den Schützengräben. Mit großer Tapferkeit stand er in den heißen Osterkämpfen des vorigen Jahres an seinem Platz, ein leuchtendes Vorbild an Unerschrockenheit, Umsicht und Pflichttreue. Und wie konnte er in den Tagen der Ruhe fröhlich sein mit den Fröhlichen in echter Kameradschaft; wie unvergeßlich bleibt uns, die wir näher mit ihm in Berührung kommen durften, die Herzlichkeit und Liebenswürdigkeit seines Wesens, seine liebe Art, an dem Leben und den Interessen anderer teil zu nehmen. Tief drinnen aber im Herzen saß ihm das, was des deutschen Mannes edelster Schmuck bleibt, das er nicht auf der Zunge trug, das aber oft genug wie ein heller Schein hervorleuchtete: eine klare, schlichte Gottesfurcht- ein herzliches Sich-Bekennen zum Glauben unserer Väter - ein treues Pflegen und Teilnehmen an unseren Gottesdiensten hier draußen, weil er wußte, daß an Gottes Segen alles gelegen ist.

So steht sein Bild vor uns; so wird es uns im Gedächtnis [S. 28] und im Herzen bleiben, als das eines echten deutschen Mannes, der treu war bis in den Tod. Mehr als einmal hat er davon gesprochen, daß er sich nichts Schöneres denken könne, als in diesem „heiligen Krieg" — wie er ihn gern nannte — sein Leben für das teuere Vaterland hinzugeben. Nun ist's ihm zuteil geworden. In raschem schmerzlosen Sterben ist er mitten aus seinem wirken heraus abgerufen worden und hat ihn schmecken dürfen, den Schwert-Tod, den vielbesungenen der alten Deutschen.

Die Krone des Lebens verheißt unser Text denen, welche die Treue halten. Den äußeren Siegespreis hat er nicht ernten dürfen, während das deutsche Heer sich anschickt, die Frucht des langen, treuen Aushaltens vor V. einzubringen, hat Gott unseren lieben Kameraden zu sich in die Ewigkeit gerufen, und wir vertrauen im Glauben, daß Er ihm dort die Krone der Ehren reichen wird, die denen verheißen ist, die treu und ritterlich gestritten haben. — hier in seinem geliebten Wald bereiten wir ihm, seinem eigenen Wunsch entsprechend, sein Soldaten-Grab. Und sinds nicht deutsche Eichen, die über seinem Hügel rauschen, so wissen wir doch, daß auch sein Heldentod dazu hilft, daß unsere herrlichen deutschen Wälder im Frieden stehen bleiben dürfen und nicht von den Granaten zerfetzt werden oder in die Schützengräben wandern müssen.

In Dankbarkeit und Liebe blicken wir dem Heimgegangenen nach. Mit neuer Gewißheit steht's uns vor der Seele: ein edles Menschenleben, das hier unten vom Tode zerbrochen wird, ist nicht verloren. Wir glauben an ein ewiges Leben, wir glauben, daß all der edle Same, der in den vielen, vielen Heldengräbern hier draußen geborgen wird, aufgehen und reiche Frucht tragen wird für Zeit und Ewigkeit. Und wenn wir nun von diesem Grab wieder hinweggehen, weiter auf den wegen unserer Pflicht, dann wollen wir von ihm aufs neue die Mahnung zur Treue mitnehmen, damit auch uns zu seiner Zeit die Krone des Lebens zuteil werden kann. Amen.


Persons: Eisenberg, Christian
Keywords: Feldpredigten · Feldgeistöoiche · Majore · Gefallene · Trauerfeiern · Standesunterschiede · Heiliger Krieg · Granaten · Schützengräben
Recommended Citation: „Christian Eisenberg, Zwölf Feld-Predigten des Feld-Divisionspfarrers. Zweite Reihe, 1916, Abschnitt 6: Predigt 6: zu Offenb. Joh. 2, 10“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/125-6> (aufgerufen am 18.04.2024)