Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Christian Eisenberg, Zwölf Feld-Predigten des Feld-Divisionspfarrers. Zweite Reihe, 1916

Abschnitt 1: Predigt 1: zu 1. Mose, 12, 2

[1-5]

Ich will Dich segnen und Dir einen großen Namen machen, und Du sollst ein Segen sein. 1. Mose, 12, 2.

Liebe Kameraden!

In die Stürme des Weltkrieges, die uns umtoben, fällt ein Tag großen geschichtlichen Gedenkens für unser deutsches Volk: das 500 jährige Hohenzollern-Jubiläum. Das gewaltige Erleben, in das wir jetzt hineingestellt sind, das Stück neuer Weltgeschichte, das eben wächst und wird, läßt uns nicht viel Zeit, rückwärts zu schauen. Die Aufgaben von heute füllen unsere Seele, und vorwärts geht unser Blick. So empfinden wir hier draußen. — Auch daheim ist nicht Zeit zu lauten, rauschenden Festen. Dazu ist der Trauer zu viel und sind die Lasten zu drückend. Aber als Christen wollen wir mit den Gedanken des Tages vor Gottes Angesicht treten. So hat's unser Kaiser gewünscht — so entspricht dem Bedürfnis unserer Herzen. „Man lobt Dich in der Stille, Du hocherhabener Zions-Gott", von diesem Gedanken sei unsere Feier geleitet.

Am 21. Oktober waren es 500 Jahre, daß in dem damals kleinen Berlin die Stände der Mark Brandenburg dem vom Kaiser Sigismund ernannten neuen Markgrafen und Kurfürsten Friedrich I. von Hohenzollern huldigten. Die Lande des neuen Fürsten waren ein armes, kleines Gebiet, zerrissen und verhetzt, verarmt und zertreten. Wer dort Ordnung schaffen, wer sich durchsetzen wollte gegen Raubritter und Unbotmäßige aller Stände, mußte ein ganzer Mann sein. Friedrich war es. Fest hat er zugefaßt, [S. 2] wie ein Fels in der Brandung hat er gestanden, weise und gütig hat er seine Aufgabe gelöst. — Was er getan hat, waren die ersten Schritte eines langen, mühsamen Weges, der nun im hellen Licht der Geschichte vor unsern Augen liegt. Über Höhen und Tiefen hat er geführt, durch sauere Arbeitstage und dunkle Sorgennächte, über die Schlachtfelder von Fehrbellin, Roßbach und Leuthen, Leipzig und Belle-Alliance, Düppel und Königsgrätz, Sedan und Paris. Und immer haben auf diesen verschlungenen Wegen die Nachkommen jenes 1. Friedrich, die Zollern-Fürsten, ihr Volk geführt, aus kleinen Anfängen höher und höher empor. An Rückschlägen hat es dabei nicht gefehlt. Aber wenn wir heute diesen wunderbaren Aufstieg verfolgen, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie aus der zerrissenen Mark das feste Preußen ward, und wie sich um diesen Kern das übrige Deutschland gelegt hat, das Deutschland, das heute im Begriff ist, an die Spitze aller Kulturvölker der Erde zu treten- wenn wir bedenken, wie viele andere Herrscher-Geschlechter im Lauf dieses halben Jahrtausends gekommen und gegangen sind, während das Hohenzollern-Haus fest dasteht, nicht wie ein absterbender Stamm, sondern wie eine tief verankerte gesunde deutsche Eiche, — dann müssen wir sagen: das ist mehr, als eine natürlich-menschliche Entwicklung; das ist ein Stück vom Segen des ewigen Gottes, dessen heilige Spuren wir in der Geschichte der Völker erkennen.

„Ich will dich segnen", — wohl dem, über dessen Leben dieses Gottes-Wort stehen darf. Wem gilt es? An Abraham ist es zuerst gerichtet worden. Wir kennen seine Gestalt, wie die Bibel sie uns zeichnet: ein Kind seiner Zeit, ein Mann mit seinen Schwächen und Fehlern, aber auch voll Glauben und Gehorsam, voll Sehnsucht nach Gott und seinem Segen. So ist er an die Spitze der Gläubigen und Gottesfürchtigen aller Zeiten getreten. — Auf dem Hohenzollerngeschlecht ruhen unsere Augen, wir Deutsche sind keine Fürstendiener, die es nicht wagen dürfen, [S. 3] über ihre Herrscher die Wahrheit zu sagen. Auch die Zollern-Fürsten sind arme Sünder, die der Gnade ihres Gottes bedürfen. Auch an ihnen findet sich neben viel Licht reichlicher Schatten, und was an den einzelnen Männern aus diesem Haus schwarz war, soll durch keine Geschichtsschreibung weiß gemacht werden. Aber aufs Ganze gesehen: wo ist ein anderes Fürsten-Geschlecht, das durch die Jahrhunderte hindurch so viel schlichte Gottesfurcht, so viel Treue und Reinheit, so viel ernste Willigkeit zum Dienen und Sich-Verzehren für andere aufzuweisen hätte, als die Hohenzollern? von jenem 1. Friedrich an, der „ein Amtmann an Gottes Fürstentum" zu sein begehrte, bis hin zu unserem geliebten frommen Kaiser, bei dem das „von Gottes Gnaden" eine solche eigenartige Wucht und eindringliche Wahrhaftigkeit gewonnen hat, — wie unlösbar ist dieses Geschlecht alle Zeit mit den Lebenskräften der Religion verbunden gewesen. Darum hat auch ihm die alte Gottesverheißung gelten dürfen: Ich will dich segnen. Ja, viel Gottes-Segen hat auf den einzelnen Kurfürsten, Königen und Kaisern der Hohenzollern und auf ihren Familien geruht, und mancher unter ihnen hat es dankbar bezeugt: Herr, ich bin viel zu gering aller Barmherzigkeit und Treue, die Du an Deinem Knecht getan hast. Als ein vollgültiges Zeugnis dieser Wahrheit, wie eine reife, volle Ähre, die sich demütig mit ihrem Segen neigt vor ihrem Gott, steht das jetzige Haupt des Hohenzollern- Hauses inmitten der Geschichte.

Etwas wunderbar Großes ist es, ein von Gott gesegneter Mann zu sein. Noch größer aber, das Schönste von allem, das einem Menschen zuteil werden kann, ist das Andere: seinen Mitmenschen von Segen sein zu dürfen. Wohlverstanden- nicht nur: ändern nützen, andern gefallen, von andern gelobt und gepriesen werden,- sondern: Andern zum Segen sein, ihnen bis in die Ewigkeit hinein helfen dürfen! „Und du sollst ein Segen sein", — in reichem Maß ist dieses Glück dem Zollern-Haus zu teil [S. 4] geworden, von der Stunde der Krönung jenes l. Friedrich singt der Dichter: „Und fern im märk'schen Dorfe ins Knie der Bauer sank: Herr Gott im hohen Himmel, Dir sei Preis, Ehr und Dank- das Land hat wieder Ernte, und meine Kinder Brot, es kommt der Hohenzoller, ein Ende hat die Not". Diese Hoffnung hat sich damals erfüllt, und wieviel Segen ist seitdem von diesem Herrscherhaus auf die ihm anvertrauten Lande ausgegangen! Die Weltgeschichte verzeichnet das, was vor Augen liegt, und es ist nichts Geringes, wenn sie zusammenstellt, was den von den Hohenzollern regierten Landen im Lauf der Jahrhunderte an Entwicklung und Gedeihen, an äußerer Entfaltung und innerer Kräftig ung zuteil geworden ist. Dazu wird einst die Ewigkeit offenbaren, wie viel innerer Segen durch vorbildliche Gottesfurcht und männlichen Bekennermut, durch Treue und reines Familienleben des Fürstenhauses Millionen von Untertanen zugekommen ist. Aus tiefster Seele bringen wir darum heute, zusammen mit unserem ganzen Volk, den Dank vor Gottes Angesicht für alles, was er uns an unserem teueren Kaiserhaus geschenkt hat, und wir knüpfen daran die Bitte, daß Gott der Herr fortfahren wolle, es zu segnen und andern zum Segen werden zu lassen, wie bisher.

Noch ein anderer Gedenktag fällt in diese Zeit: der 100 jährige Geburtstag Emanuel Geibels, der sich durch manches Lied in das Herz des deutschen Volkes hinein gesungen hat. Er hat der kühne, hoffnungsfreudige Wort geprägt: „Und es soll am deutschen Wesen noch die ganze Welt genesen". Wenn wir an all die Sünden und Schwächen denken, die wir am eigenen Volk zu beklagen haben, auch jetzt noch, nachdem doch der reinigende Sturm einer gewaltigen Zeit hindurchgefahren ist und viel Morsches herausbrach, dann mag manchem der Mut fehlen, in dieses Wort einzustimmen. Überblicken wir aber die edlen, reifen Gaben, die Gott der Herr an Herz und Gemüt, an Treue, Reinheit und Wahrheit, an frohem Wollen und gewaltigem Können in das deutsche Volk [S. 5] gelegt hat, dann gehen wir mit immer neuer Kraft an den Riesen-Kampf, der uns aufgezwungen ist. Nimmermehr soll die Absicht der Feinde, uns zertreten zu wollen, erreicht werden. Wir wollen und wir werden siegen, um der hohen Aufgaben willen, die wir für uns selbst und für andere haben! Wir glauben an unsere Mission unter den Völkern der Erde! Wir tun es nicht in Hochmut und Selbstüberhebung, sondern in dankbarem Ausblick zu dem Gott, der gesagt hat: „Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein". Deutsches Kaiserhaus, deutsches Volk, deutscher Kamerad: halte, was du hast, daß dir niemand deine Krone nehme! Halte dich so, daß Gott dich segnen kann, damit du andern zum Segen werden darfst! Amen.


Persons: Eisenberg, Christian · Wilhelm II., Deutsches Reich, Kaiser · Geibel, Emanuel · Sigismund, Heiliges Römisches Reich, Kaiser · Friedrich I., Brandenburg, Kurfürst
Places: Berlin · Brandenburg · Fehrbellin · Roßbach · Leuthen · Leipzig · Belle-Alliance · Düppel · Königsgrätz · Sedan · Paris · Preußen
Keywords: Feldpredigten · Feldgeistliche · Hohenzollern-Jubiläum · Kaiser
Recommended Citation: „Christian Eisenberg, Zwölf Feld-Predigten des Feld-Divisionspfarrers. Zweite Reihe, 1916, Abschnitt 1: Predigt 1: zu 1. Mose, 12, 2“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/125-1> (aufgerufen am 28.03.2024)