Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Tagebuch des Soldaten Heinrich Preis aus Moischt (1914-1915)

Abschnitt 15: Verfolgung der russischen Truppen, 8.-14. Mai 1915

[36-39] 8. Mai. Der Feind hat die ganze Stellung gereumt. Wir gehen auf der ganzen Linie vor. Es ist noch ein hoher Gebirgskamm vor uns und wier sind in Galizien. Wir mindestens 20 bis 25 Klmtr. vor gedrungen. Noch spät in der Macht wird maschiert. Es ist fast gefährlich an steilen Abhängen get es hinunter durch Schluchten, dann wieder hoch hinauf. Gegen Mitternacht gibt es halt. Es wird geschlafen wo wir sind, auf die Erde gelegt und mit Mantel und Zelt zugedeckt. Es fängt an zu regnen, aber jeder schläft gut.

9. Mai. Um 4 Uhr morgens geht es weiter. Immer an einem Waldbach entlang, den wir wohl 6 mal [S. 37] durchschreiten müssen, gegen Mittag erreichen wir den Feind wieder. Auf einem kahlen Berge hat er Stellung genommen. Noch keine besre Stellung habe ich gesehen, schon auf 1500 Metr. freies Schußfeld, mehrere Schützengräben über einander. Es ist nicht gut möglich, diesen Berg zu stürmen.

10. Mai. Wir sind zurückgezogen in ein Dorf, da wir schon den 4ten Tage keine Feldküche gesehen haben, und fast keinen Schlaf gehabt, gegen Mittag komt die Feldküche, als wir aber am Essen sind, heißt es abmarschieren. Es geht über Berg und Thal, zu den Östreicher. Es geht gegen den gefürchteten Berg, den unsre Attillerie fest bearbeitet. Es graut jedem vor diesem Sturm, doch dieses ist bald überwunden, als unsre vordersten Schützenlinien auf halber Höhe sind und die Russen mit weißen Thücher winken. Nun will jeder vor, was denn auch geschieht. Die Russen vor uns geben sich alle gefangen, doch links und Rechts wird noch heftig gekämpft, [S. 38] doch als sie sich von der Flanke bedroht sehen, Reißt alles aus. Die Attillerie wirkt verheerend. Die Freude nach dem Sieg ist groß. Überall hört man die Compagnie singen. Nun danket alle Gott und Deutschland, Deutschland über Alles.Die Östreicher die Vorbei kommen rufen Hurra und die Gefangenen Russen sind Baff. Solche Stunden sind schön. Abends gehts zurück ins nächste Dorf. In einem Bauernhaus, Quartier. Der Schlaf thut so wohl.

11. Mai. Heute Morgen kommen die Küchen und die Post. Eben fangen wir an zu vertheilen, da heißt es schon Marsch. Nun sind wir schon bis 12 Uhr Mitags gelaufen, eben haben wir Rast.Es geht wieder weiter. Abends wird Quartier bezogen.

12. Mai. Die Verfolgung geht weiter. Überall begegnen uns Trups Gefangene und Überall siht man Mu[ni]tion und Wagen herumfliegen. Abends müssen wir auf Vorposten. In Mantel und Zelt gehült liegen wir neben der Straße, [S. 39] Aber jeder schläft wie im schönsten Bett.

13. Mai. Heute Himmelfahrt. Wir verfolgen die Russen. Abends beziehen wir Quartier, Aber alles ist von den Russen geblündert. Mit großer Mühe treibe ich noch 4 Eier auf, muß aber eine Krone dafür bezahlen.

14. Mai. Die Verfolgung geht weiter, überall trift man Trups Gefangener Russen. Alle Brücken und Stege sind gesprengt. Nachmittags 3 Uhr beziehen wir Quartir in Dobromil1, einem leidlich schönen Städtchen. Auch hir haben die Russen alles mit genommen. Bezeichnend ist, daß 25 % Juden und 5 % Christen dort sind.


  1. Dobromyl, Kleinstadt in der Westukraine, etwa 4 km östlich der heutigen polnisch-ukrainischen Grenze.

Personen: Preis, Heinrich
Orte: Galizien · Dobromyl (Ukraine)
Sachbegriffe: Schützengraben · Feldküchen · Österreicher · Artillerie · Russen · Sturmangriffe · Nationalhymne · Kriegsgefangene · Munition · Juden
Empfohlene Zitierweise: „Tagebuch des Soldaten Heinrich Preis aus Moischt (1914-1915), Abschnitt 8: Verfolgung der russischen Truppen, 8.-14. Mai 1915“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/3-15> (aufgerufen am 01.05.2024)