Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Tagebuch des Soldaten Heinrich Preis aus Moischt (1914-1915)

Abschnitt 20: Beileidsschreiben des Kompanieführers an die Eltern

[54-56] Aus dem Briefe seines Comp. Führers

Gestern Abend nun erhielt ich die traurige Nachricht, daß Feldwebel Preis am 22.10. in Semendria an den Folgen seiner schweren Verwundung gestorben ist. Auf dem Friedhoof in Semendria hat ihr Sohn seine letzte Ruhestätte gefunden. Und ist mit allen Millitärischen Ehren begesetzt worden. Mein Beileid vermag ich ihnen nicht Auszudrücken, was vermögen die wenigen Worte, zu solchem Verlust zu sagen.

Fassen sie sich und lassen sie sich Trösten durch die Thatsache, daß Preis als Wircklicher Held sein Leben fürs Vaterland gelassen hat. Er war Führer des ersten Zuges meiner Comp., die ich Zeit der Offensive in Serbien führe. Die Einnahme von Semendria war glücklich vorüber, da stelten sich die Serben auf den nächsten Höhen zwischen Semendria zu neuem Kampfe. Die Comp. war in einer unangenehmen Lage [S. 55], da sie von allen Seiten Feuer erhielt. Ich selbst war zum ersten Zuge, der auf dem linken Flügel lag, hingekrochen, und besprach mit Preis längere Zeit die Gefechtslage. Der Gegner schien uns bald bemerkt zu haben. Die Geschosse umschwirten uns bedenklich, und schlugen links und rechts von uns ein. Wir krochen beide in ein Loch und warteten eine Zeitlang, bis das Feuer sich gelegt hatte. Dann begab sich jeder von uns wieder auf seinen Posten. Mit dem Fernglase vor den Augen beobachtete Preis den Feind, kontrolierte das Einschlagen der Geschosse seines Zuges, da erreichte ihn das tödtliche Geschoß. Als ich ihn wiedersah, lag er wie schlafend vor mir. So ist er nach neun Tagen hinübergeschlummert zur großen Armee. Alles wurde versucht, eine Operation wurde vorgenommen, nichts vermochte jedoch den Lauf des Schicksals aufzuhalten.

Lassen sie sichs zum Troste dienen, daß [S. 56] ihr lieber Sohn mitten im Kampfe in voller Manneskraft ohne Schmerzen und Weinen hinüber gegangen ist. Ich weiß, was ich an Preis verloren habe. Er war meine rechte Hand, der Mann, auf den ich mich Unbedingt Verlassen konte. Bei Jedermann in der Comp. beliebt, ist sein Todt von allen betrauert worden, als wenn er jedem Bruder gewesen were. Die 9. Comp. wird ihren Feldwebel Preis nicht Vergessen. Fals sie noch einen Wunsch haben, so stehe ich ihnen jederzeit gern zur Verfügung. Lassen sie mich schließen mit dem Wunsche, daß dieser Verlust gleich tausend Frauen und Mädchen und Eltern stolz macht und ihren Schmerz lindern hilft. Sie haben dem Vaterland das beste geopfert, was Menschen Opfern können.

Mein Innigstes Mitgefühl sei ihnen hirmit nochmals Versichert.

Ergebenst Leutnant und Kompagnieführer Coski.


Personen: Preis, Heinrich
Empfohlene Zitierweise: „Tagebuch des Soldaten Heinrich Preis aus Moischt (1914-1915), Abschnitt 20: Beileidsschreiben des Kompanieführers an die Eltern“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/3-20> (aufgerufen am 26.04.2024)