Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Tagebuch des Soldaten Heinrich Preis aus Moischt (1914-1915)

Abschnitt 14: Vorrücken auf die Beskidenhöhen, 2.-7. Mai 1915

[33-36] 1. Mai. Der schönste Tag im Jahr. Es ist wirklich schön hir, Nachts wagen die Russen einen Angriff.

2. Mai. Heute Morgen die 6te Comp. abgelöst. Wir bauen an der Stellung weiter. Eben sitze ich auf einem dicken Baum, welcher etwas krum gewachsen über einer tiefen Schlucht hängt. Von hir aus kann ich einen großen Theil der Schlucht überblicken, Welche an beiden Seiten mit alten Baumriesen bewachsen ist, ein schönes romantisches Bild. Diese alte Beume prangen alle in frischem jungem Grün, dazwischen hört man die Vögel singen, deren es vile hir gibt, auch gibt es hir vil Nachtigallen. [S. 34] Bei allem diesem überkomt einem eine richtige Wehmütige Stimmung. Ich muß unwillkürlich an meine lieben zu Hause denken, und die Sehnsucht nach Frieden wird in einem Wach, zu Hause were es jetzt auch am schönsten. Eben fält mir ein, daß heute gerade Sontag ist. Über die tiefe Schlucht haben wir eine Brücke gebaut und etwas weiter unten wo unsere Stellung ist sind eine Menge der dicksten Bäume umgehauen, und in und über den Graben geworfen worden und dienen so als Hinderniss.

2. und 3. Mai. Nichts besonderes.

4. Mai. Heute Nachmitag mit 9 Mann fast lauter Kriegsfreiwillige einen Patroulgengang gemacht. Bis ungefähr 200 Metr. vor die russische Stellung.

5. Mai. Um ½ 8 Uhr Befehl alles fertig machen. Vor der Stellung der 1681 ligt ein Berg, der soll erstürmt werden. Unsre Comp. besetzt die Stellung des ganzen Battilons, das andre steht der 35. Division zur Verfügung. gegen ½ 9 begint die Attillerie ihr Konzert, die Infanterie stürmt bis zum Abend, aber die Drathindernisse sind zu stark. Gegen [S. 35] Abend werden auch wir abgelöst und gehen vor.

6. Mai. Zu unserm Erstaunen hat der Feind die Stellung gereumt, wir besetzen dieselbe. Ein deutscher hätte solch eine Stellung nie aufgegeben. Es ist intressant zu beobachten, in welch guter Stimmung die Leute sind, daß wir den Berg haben. Und vor allem ihn ohne große Opfer haben. Mittags geht es weiter, in lichten Schwarmlinien durch das Virawatal gegen die russische Stellung, zu unsrem Erstaunen ist diese gereumt, jetzt geht es den 700 Meter hohen Berg zum Beskietenkamm empor, ein schweres Stück Arbeit. Die nächste Höhe vor uns ist stark besetzt. Sogleich komt der Befehl zum Angriff. Wir in erster Linie am weitesten rechts, aber es ist nicht so einfach wie es aussieht. Der Feind hat eine gute Stellung und eine Menge Maschinengewehre, unsre Verluste sind groß. Erst als Pionire mit Handgranaten in die Stellung fungt reißen die Lumpen aus. Es ist beinahe 10 Uhr abends und dunkel Nacht, bis wir die Stellung besetzen. Aber das ganze muthet recht unheimlich an. [S. 36] Es gnallt und rattert in allen Ecken, hinter uns und vor uns, die ganze Nacht muß aufs schärfste gewacht werden. Wir haben uns am äußersten Rand eingegraben.

7. Mai. Die Stellung gehalten be[i] furchtbarem Attilleriefeuer, der Höhenzug wird auf der ganzen Linie gestürmt. Unsre Verluste sind groß, 36 Mann, 12 bis 13 todte.


  1. Das 5. Großherzoglich Hessische Infanterie-Regiment Nr. 168, das zu Friedenszeiten in Offenbach, Butzbach und Friedberg stationiert war, wurde vom 4. Dezember 1914 - 15. September 1915 auf dem östlichen Kriegsschauplatz eingesetzt. Siehe Adolf Soldan, 5. Großherzoglich Hessisches Infanterie-Regiment Nr. 168. Nach amtlichen Kriegstagebüchern bearbeitet (Erinnerungsblätter deutscher Regimenter 110), 1924.

Personen: Preis, Heinrich
Empfohlene Zitierweise: „Tagebuch des Soldaten Heinrich Preis aus Moischt (1914-1915), Abschnitt 14: Vorrücken auf die Beskidenhöhen, 2.-7. Mai 1915“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/3-14> (aufgerufen am 06.05.2024)