Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe
Verabschiedung eines neuen Landtagswahlgesetzes, 7. Juli 1954
Der Hessische Landtag in Wiesbaden verabschiedet nach zweiter und dritter Lesung (jeweils ohne Aussprache) das Gesetz zur Änderung des Landtagswahlgesetzes. Damit erfährt das bisherige Landtagswahlgesetz, das ein gemischtes Wahlsystem darstellte, eine starke Veränderung in Richtung auf ein reines Verhältniswahlsystem. Die neue Fassung sieht eine Erhöhung der Abgeordnetenzahl von 80 auf 96 vor, wobei die eine Hälfte direkt gewählt wird, die andere über Landeslisten in den Landtag einzieht (48 Abgeordnete werden in den durch das alte Wahlgesetzes von 1950 festgelegten Wahlkreisen gewählt, 48 weitere über Landeslisten bestimmt). Das Wahlverfahren sieht gemäß der Änderung zukünftig wie folgt aus: Für jede Partei werden zunächst die hessenweit für sie abgegebenen Stimmen zusammengezählt. Die nach Abzug der Anzahl von parteilosen Bewerbern in den Wahlkreisen errungenen Mandate verbleibenden Sitze werden auf die Parteien im Verhältnis ihrer Stimmenzahl verteilt. Sitze, die unmittelbar in den Wahlkreisen errungen wurden, verbleiben der Partei auch dann, wenn sie die ermittelte Zahl übersteigen. In solchen Fällen erhöht sich die Gesamtzahl der Abgeordnetensitze um die Unterschiedszahl (sogenannte Überhangmandate); gleichzeitig werden die übrigen Parteien durch Zusatzmandate („Ausgleichsmandate“) entschädigt, um nicht das durch das Wahlergebnis ermittelte verhältnismäßige Gewicht der Parteien zueinander zu stören. Berücksichtigt werden bei der Sitzverteilung jedoch nur Parteien, die mindestens fünf von Hundert der abgegebenem gültigen Stimmen erhalten haben oder in mindestens einem Wahlkreis mit Sitz vertreten sind.
Künftig sind für die Kreiswahlvorschläge 50 Unterschriften notwendig. Die Nachfolge eines ausscheidenden Abgeordneten wird durch einen Ersatzmann aus der Landesergänzungsliste gestellt.
Bei der Entscheidung über das neue Gesetz im Landtag stimmen vier Abgeordnete der Oppositionsparteien dagegen, je drei Abgeordnete der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion enthalten sich der Stimme.
(OV/KU)
- Belege
- Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.7.1954, S. 4: Das hessische Wahlgesetz verabschiedet: Das Verhältniswahlsystem stärker berücksichtigt
- Weiterführende Informationen
- Hessische Parlamentarismusgeschichte: Drucksachen des Hessischen Landtags, 2. Wahlperiode, Abt. 3, Bd. 4, S. 2828 f. (eingesehen am 6.7.2022)
- DIE ZEIT 14/1954, 8.4.1954, S. 2: Hessische Wahlkuriosa – Wie bekommt man auf jeden Fall 50 Prozent? / von Heinrich David (eingesehen am 25.2.2013)
- Dirk Berg-Schlosser (Hrsg.), Parteien und Wahlen in Hessen: 1946–1994, Marburg 1994
- Hebis-Klassifikation
- 406330 ,Landtagswahl
- Hebis-Schlagwort
- Hessen
; Hessisches Landtagswahlgesetz - Empfohlene Zitierweise
- „Verabschiedung eines neuen Landtagswahlgesetzes, 7. Juli 1954“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/1034> (Stand: 6.7.2022)