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Erstaufführung von Zuckmayers „Fröhlichem Weinberg“ in Frankfurt, 23. Dezember 1925

In Frankfurt am Main wird, einen Tag nach der Uraufführung im Theater im Schifferbauerdamm in Berlin, Carl Zuckmayers (1896–1977) Lustspiel „Der fröhliche Weinberg“ unter der Regie von Heinz Hilpert (1890–1967) aufgeführt.

Das gesellschaftskritische Stück, dessen Handlung im Milieu von Winzern, Schiffern und Kleinbürgern in einem rheinhessischen Winzerdorf angesiedelt ist, bedient sich der heimatlichen Mundart des Autors,1 und wird mit seinen lebensnahen, derb-realistischen Dialogen ein durchschlagender Publikumserfolg,2 um dessen Aufführungsrechte sich nach der erfolgreichen Premiere über 100 Bühnen bewerben. Zuvor war „Der fröhliche Weinberg“ im Herbst 1925 von fast allen Berliner Bühnen abgelehnt worden.

Im Mittelpunkt der Handlung steht der Weingutsbesitzer Jean Baptiste Gunderloch, der sich zur Ruhe setzen möchte; jedoch fehlt ihm für einen Teil seines Besitzes der passende männliche Erbe. Gunderlochs Tochter Klärchen ist mit dem Korpsstudent Knuzius verlobt, der bereits fette Beute wittert, während Klärchen aber in Wirklichkeit einen anderen liebt. Nach einer durchfeierten Nacht schafft ein tumultöser Showdown schließlich klare Verhältnisse.

Das „Lustspiel in drei Akten“, das in den Jahren nach seiner Uraufführung zu einem der meistgepielten Theaterinszenierung in Deutschland während der Weimarer Republik wird, gilt als musterhafte Wiederentdeckung der Volksstücktradition, die sich bewusst vom Pathos des Expressionismus, der betonten Nüchternheit der aufkommenden Neuen Sachlichkeit und dem lehrhaft-politischen Theater absetzt. Zuckmayer erhält für das Stück, das ab 1926 auch in Leipzig, München, Wiesbaden und – nach zahlreichen Protestnoten aus unterschiedlichen Kreisen – auch in Mainz Premiere feiert, 1925 den seit 1912 vergebenen Kleist-Preis, die bedeutendste literarische Auszeichnung der Weimarer Republik.

Der Schriftsteller und Theaterkritiker Ludwig Marcuse (1894–1971) äußert sich in der am 24. Dezember 1925 erscheinenden Ausgabe des „Frankfurter Generalanzeigers“ unter der Überschrift „Für das junge Drama!“ folgendermaßen über das Lustspiel:

Der junge Gerhart Hauptmann könnte diesen ‚Fröhlichen Weinberg‘ geschrieben haben: so stark wurzelt das Wort hier im Blut. Da ist keine Konvention und keine Intellektualität zwischen Erde, Trieb und Wort: da wächst der Mensch bruchlos aus der Kreaturen treibenden Scholle; und das Wort ist nur ein feiner Dampf über dem Körper. Rückkehr zum Naturalismus? Vielleicht fängt das junge Drama dort noch einmal an, wo der junge Hauptmann begonnen hat: weil es Hauptmanns späteren Weg nicht fortsetzen kann. Die Kraft dieses jungen Dramas ist seine produktive, aus der Fülle der Sinne geborene Sprache. Die Zukunft dieses Dramas ist das organische Hervorwachsen (nicht das intellektuelle Erklügeln) menschlicher Schicksale und ihrer Deutung. Zuckmayers ‚Kreuzweg‘ war eine Kette packender Visionen. ‚Pankraz erwacht‘ war die erste Etappe zurück zum Beginn, an dem das Wort aus der Sinnlichkeit geboren wird. ‚Der fröhliche Weinberg‘ ist die Erfüllung des Beginns.“2

Der Stoff wird mehrfach verfilmt, so bereits 1927 als Schwarzweiß-Stummfilm unter der Regie von Jacob und Luise Fleck, 1952 unter der Regie von Erich Engel (1891–1966) (mit Gustav Knuth (1901–1987) in der Rolle des J. B. Gunderloch und Eva-Ingeborg Scholz (geb. 1928) als Klärchen) und schließlich 1961 unter der Regie von Hermann Pfeiffer.
(KU)


  1. Zuckmayer stammt gebürtig aus dem rheinhessischen Weinbauort Nackenheim.
  2. Freilich bleibt „Der fröhliche Weinberg“ nicht unumstritten und sorgt besonders bei den darin übertrieben-ironisch dargestellten gesellschaftlichen Gruppierungen (Akademiker, Kriegsveteranen, rheinhessische Winzerfamilien) für moralische Entrüstung. So müssen zum Beispiel 1926 die Zuschauer in Leipzig schriftlich versichern, dass sie die Vorstellung in keiner Weise durch Demonstrationen stören werden.
  3. Zitiert nach Helmut Zenz, Carl Zuckmayer im Internet: Biographie.
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Erstaufführung von Zuckmayers „Fröhlichem Weinberg“ in Frankfurt, 23. Dezember 1925“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/611> (Stand: 23.12.2021)
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