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Erklärung von Ministerpräsident Zinn zu Gemeindebetrieben und Sozialisierung, 9. April 1952

Ministerpräsident Georg August Zinn (1901–1976; SPD) gibt folgende Erklärung über die Stellung der Gemeindebetriebe innerhalb der Sozialisierung:
Die im Anschluß an die Verhandlung des Staatsgerichtshofes vom 4. April 1952 aufgestellte Behauptung, daß der hessische Staat das Eigentum an den kommunalen Energie- und Verkehrsbetrieben für sich in Anspruch nehme, entbehrt jeder Grundlage und wird schon durch die tatsächlichen Verhältnisse widerlegt. Die hessische Landesregierung hat in der Sozialisierungsfrage von jeher die Ansicht vertreten, daß die kommunalen Energie- und Verkehrsbetriebe den Gemeinden und Kreisen zu belassen sind und daß das kommunale Eigentum an diesen Betrieben uneingeschränkt gesetzlich sichergestellt werden müsse. Denn auch die Kommunen sind geeignete Rechtsträger für das Gemeineigentum. Eine entsprechende Bestimmung war deshalb bereits im ersten Gesetzentwurf über die Sozialgemeinschaften vorgesehen und wird auch in dem neuen Entwurf enthalten sein. Auch der am 30. Januar 1952 dem Landtag eingereichte Entwurf eines Überleitungs- und Entschädigungsgesetzes bestimmt, daß sämtliche Energie- und Verkehrsbetriebe den Gemeinden verbleiben. Darüber hinaus ist sogar vorgesehen, daß auch sozialisierte Energie- und Verkehrsbetriebe, die sich früher in privater Hand befanden, auf interessierte Gemeinden übertragen werden können. Hieran ist insbesondere bei der Kasseler Verkehrsgesellschaft gedacht, die sich gegen eine solche Absicht durch die schwebenden Verfahren beim Landgericht Wiesbaden, dem hessischen Staatsgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht wehrt. Die Behauptung, die Landesregierung wolle doppelt sozialisieren und den Kommunen Energie- oder Verkehrsbetriebe tatsächlich oder rechtlich entziehen, ist offensichtlich nur zu Wahlzwecken aufgestellt. Sie will die Sach- und Rechtslage entstellen und dadurch Verwirrung schaffen. Diese Behauptung erklärt auch nachträglich die Entrüstung der Opposition über die Einbringung des Entwurfs eines Überleitungs- und Entschädigungsgesetzes, aus dem sich die für die Gemeinden positive Einstellung der Landesregierung zu deren Energie- und Verkehrsbetrieben eindeutig ergibt. Die kürzlich in verschiedenen Zeitungen veröffentlichte Nachricht, daß auf Anfordern des Rechtsausschusses des Landtags ein Staatswissenschaftler gutachtlich den Entwurf des Überleitungs- und Entschädigungsgesetzes als Verfassungsverstoß bezeichnet habe, ist völlig aus der Luft gegriffen und ebenfalls nur als Wahlpropaganda zu verstehen. Ein solches Gutachten ist weder angefordert noch erstattet worden.
(MB)

Belege
Empfohlene Zitierweise
„Erklärung von Ministerpräsident Zinn zu Gemeindebetrieben und Sozialisierung, 9. April 1952“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/4045> (Stand: 9.4.2022)
Ereignisse im März 1952 | April 1952 | Mai 1952
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