Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg
Inhalt
- Persönliche Situation Korschelts, Ruf nach Leipzig
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- Situation der Universität Marburg, Herbst/Winter 1914/15
- Situation im Zoologischen Institut der Universität Marburg
- Die Universität nach Kriegsende 1918/19
- Politische Unruhen, Marburger Studentenbataillon
- Reise in das westliche Kriegsgebiet, August 1915
- Versorgungsprobleme, Einquartierungen von Soldaten
- Waffenstillstand und unsichere Lage in Marburg
- Rückkehr von Truppen nach Marburg, Demobilisierung
- Inflation, Vermietung an Studenten, Einquartierungen
↑ Eugen Korschelt, Erinnerungen des Marburger Zoologen und Rektors, 1914-1919
Abschnitt 10: Politische Unruhen, Marburger Studentenbataillon
◀ [181-182]
Mit dem Kapp-Putsch wurde es zwar nichts, aber diese Nachkriegszeit war voller Unruhe. Spartakus ging um. Aufruhr in Berlin, Bremen und anderen großen Städten wie im Ruhrgebiet und in Thüringen. Viele Studenten waren an der Bekämpfung dieser Aufstände wie beim Grenzschutz in Oberschlesien beteiligt. Wir hatten am Kriegsende einige Studenten bei uns aufgenommen. Eines Tages gegen Schluß des Wintersemesters 1919/20 erschienen sie plötzlich in Uniform, um sich zu verabschieden. Ähnlich wie am Kriegsbeginn, nur daß unterdessen kriegsgeübte Männer und Offiziere aus ihnen geworden waren. Sie wurden jetzt erneut aufgerufen, diesmal aber leider gegen die eigenen Volksgenossen.
Unter Leitung des in Marburg seinen Studien lebenden bekannten Schriftstellers Fregattenkapitän B. v. Selchow wurden einige, größtenteils aus Studenten bestehende Bataillone von sog. Zeitfreiwilligen zur Bekämpfung des Aufstandes in Thüringen zusammengestellt und rückten unter Kapitän v. Selchows Führung alsbald dorthin ab. Mit ihrer Hilfe konnte der Aufstand in verhältnismäßig kurzer Zeit niedergeschlagen und die Gefahr seiner weiteren Ausbreitung verhindert werden. Bedauerlicherweise gab es dabei ein höchst peinliches Nachspiel. Einer Abteilung des Bataillons war ein Trupp Gefangener mit dem Befehl übergeben worden, sie an einem bestimmten Ort abzuliefern. Die Gefangenen verabredeten sich, auszubrechen, [S. 182] und versuchten tatsächlich zu entkommen. Die Begleitmannschaft glaubte, das nach ihrer Kriegserfahrung verhindern zu sollen. Es wurde scharf geschossen und gab leider eine Anzahl Gefallener. Der „Vorwärts" und andere linksradikale Blätter sprachen von der Marburger Mörderzentrale. Die Beteiligten wurden vor ein Gericht gezogen, zu schweren Strafen verurteilt, bei einer späteren Verhandlung aber freigesprochen, immerhin ein lebendiges Bild aus jener verworrenen, für unser Vaterland so überaus gefährlichen Zeit. Dieselben oder ähnliche Vorgänge gab es bei den Kämpfen der Freiwilligen in anderen Gegenden, und sie haben bei der Einstellung der damals Regierenden noch durch Jahre die übelsten Folgen gehabt.
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Personen: | Korschelt, Eugen |
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Empfohlene Zitierweise: | „Eugen Korschelt, Erinnerungen des Marburger Zoologen und Rektors, 1914-1919, Abschnitt 10: Politische Unruhen, Marburger Studentenbataillon“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/63-10> (aufgerufen am 27.04.2024) |