Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

Inhalt

↑ Albert Schorn, Kriegs-Chronik der Stadt Camberg, 1914-1921

Abschnitt 28: Wahlen 1919, Unterzeichnung des Versailler Vertrags

◀ Am 19. Januar 1919 fanden die Wahlen zur deutschen Nationalversammlung statt, an der sich zum ersten Male auch die Frauen beteiligten. Es ergab sich folgende Stimmenverteilung: Demokraten 220, Deutsche Volkspartei 31, Sozialdemokraten 191, Zentrum 964. Am Sonntag, den 16. März, reihte sich nach heftigem Wahlkampf die Stadtverordnetenwahl an. Der neugegründete Bürgerverein, Demokraten und Sozialdemokraten stellten eine gemeinsame Liste auf und brachten mit 659 Stimmen 10 Kandidaten durch, darunter 1 Frau. Das Zentrum erhielt im Gegensatz zu seinem Erfolg bei der Wahl zur Nationalversammlung dieses Mal nur 579 Stimmen mit 8 Sitzen. Bei beiden Wahlen war die Beteiligung so stark wie nie zuvor. Auch die Frauen zeigten, daß sie das neu errungene politische Recht zu schätzen wußten. [S. 51]

Der Tag rückte immer näher, an dem Deutschland sich für oder gegen die Friedensbedingungen der Feinde entscheiden mußte. Schon Wochen vorher herrschte allerorten große Aufregung. Der Oberpräsident der Provinz Hessen-Nassau ermahnte in einer Bekanntmachung die Bewohner, im Falle eines feindlichen Vormarschs Haus und Hof nicht zu verlassen. Die jüngeren Männer reisten jedoch zum Teil ab, zum Teil machten sie sich reisefertig. Viele Kaufleute versteckten ihre Waren. Am 23. Juni, dem Tag der Unterzeichnung, erreichte die Aufregung ihren Höhepunkt. Bei Walsdorf allein standen 15.000 Franzosen marschbereit. Man erzählte sich hier, daß die meisten unter ihnen aus den zerstörten Gebieten Nordfrankreichs stammten und nach Rache dürsteten. Am Abend des schick-salschweren Tages sah es in unseren Straßen aus wie am ersten Mobilmachungstage. An allen Ecken standen die Leute gruppenweise zusammen. Gegen 7 Uhr brachte der Telegraph die entspannende Nachricht, daß der Friede geschlossen sei. Mit Musik zogen die Franzosen in ihre Quartiere zurück.