Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Albert Schorn, Kriegs-Chronik der Stadt Camberg, 1914-1921

Abschnitt 25: Vaterländischer Hilfsdienst, Luftangriffe

[46-47] Im Januar wurde der Vaterländische Hilfsdienst eingeführt. Alle männlichen Personen von 17 bis 60 Jahren mußten sich auf dem Rathaus melden. Sie wurden nach und nach zu irgendeiner Tätigkeit im Dienste des Vaterlandes einberufen. An die Stelle des Mannes trat in der Werkstatt, im Geschäft, auf dem Felde, im Büro die Frau, die sich mit staunenswertem Geschick auch mit der ungewohntesten Arbeit vertraut zu machen wußte.

Leider nahm bei der Abwesenheit der Väter die Verwahrlosung der Jugend in solchem Maße zu, daß sich die Staatsgewalt zu besonderen Strafbestimmungen genötigt sah.

Am Feste Peter und Paul brachten die Priester der katholischen Kirche auf Anordnung des Papstes das heilige Meßopfer in der Meinung dar, daß der gequälten Menschheit Eintracht und Ruhe bald wiedergeschenkt werde. Am 30. Juni wurde in allen Kirchen [S. 47] und Kapellen mit eigenem Geistlichen ein Kriegsbettag veranstaltet. Die Kriegsandachten fanden nach wie vor regelmäßig statt, doch wurden sie lange nicht mehr so besucht wie in den ersten Kriegsjahren. Eine hoffnungslose Stimmung hatte mehr und mehr um sich gegriffen.

Der unbeschränkte Unterseebootkrieg führte nicht, wie man geglaubt hatte, eine entscheidende Wendung zu unseren Gunsten herbei. Im Gegenteil! Der Eintritt der Vereinigten Staaten von Nordamerika in die Reihe der Gegner sollte uns zum Verhängnis werden. Im Frühjahr 1918 loderte für einige Zeit die Hoffnung auf Sieg noch einmal mächtig empor. Am 4. März mußte sich Rußland den Friedensbedingungen der Mittelmächte unterwerfen. Man erzählte sich hier, daß die aus dem Osten gekommenen Verstärkungstruppen bis nach Coblenz lägen. Aber alle Hoffnungen wurden zu schanden. Die letzte gewaltige Anstrengung, um die feindliche Front zu durchbrechen, scheiterte, und der Gegenangriff, der mit ungeheurer Uebermacht im August einsetzte, drückte die deutschen Linien immer weiter und weiter zurück, bis im Oktober unser armes Vaterland um Frieden bitten mußte.

In jenen Monaten überflogen fast tagtäglich feindliche Flieger unsere Gegend. Besonders auf die größeren Städte hatten sie es abgesehen. Die Abwehr ihrer Angriffe auf Mainz und Wiesbaden konnte von hier aus gut beobachtet werden. Gewöhnlich fanden die Ueberfälle des Abends oder zur Nachtzeit statt. Dann boten die in der Lust aufblitzenden krepierenden Geschosse ein stundenlanges schreckliches Schauspiel.


Empfohlene Zitierweise: „Albert Schorn, Kriegs-Chronik der Stadt Camberg, 1914-1921, Abschnitt 25: Vaterländischer Hilfsdienst, Luftangriffe“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/34-25> (aufgerufen am 29.04.2024)