Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Klaus Wiedemann, Der Erste Weltkrieg aus der Sicht eines Kasseler Oberschülers, 1914-1918

Abschnitt 35: Gedicht "U-Deutschland"

[68-70] [S.68]
U-Deutschland1.

Das war ein Jubel von Ohr zu Ohr,
Ein deutsches U-Boot in Baltimore,
Ein deutsches U-Boot, gefahrumstellt,
Trägt deutsche Waren von Welt zu Welt!
Und wie auch der Brite die Tat verdreht
Und wie sie alle geflucht und geschmäht:
Stolz flatterte dennoch die Flagge empor
Am deutschen U-Boot in Baltimore

Good day, Kapitän, woher die Fahrt?“
„Wir kommen von Bremen, sind deutscher Art!“
„Von Deutschland? Well, das nenn ich kühn,
Ja, ließ Euch der Britte denn ruhig ziehn?“
„Was kehrt uns Franzosen- und Britenglut?
Wir fahren, wo Wasser um unseren Bug,
Wir fahren, wo Wasser um unser Deck
Und wissen von keinem Britenschreck!
Doch ist es dir recht, so machen wir,
Freund Yankee, jetzt ein Geschäft mit dir.

Wir bringen so manches, was Uncle Sam
Schon lange nicht mehr in sein Land bekam,“
Well, das ist gut, ich sage yes;
Denn business bleibt business!“

Da hub sich geschäftiges Leben am Kai,
Gewichtige Kräne rollten herbei,
[S. 69]
Die schrien und kreischten und summten dumpf,
Die tauchten in des Schiffes Rumpf
Und hoben die Werte, die deutsche Hand
Über - und unter das Meer gesandt,
Das war ein Lärmen, das war ein Klang
In Bunker und Zelle in Last und Tank.
Und draußen das Volk von Amerika
Staunend das deutsche Wunder sah.

Leer die Bunker und leer die Last,
Wieder hebt sich lärmende Hast,
Doch der Kran, der nun in das Boot sich taucht,
Trägt fremde Waren, die Deutschland braucht! –

So schafften die Deutschen in Baltimore –
Franzosen, Russen und Briten im Chor
Schwuren mit einem gräßlichen Schwur:
Niemals lenkt heimwärts das Boot die Spur:
„Wo wir es treffen im Meeresgrungd,
Muß es mit Mann und Maus auf den Grund […]
Sie haben den Hafen mit Schiffen gesäumt,
Sie haben gelauert bei Tag und Nacht,
Und hätten nur uns, nur uns im Sinn
Die „Deutschland darf nicht nach Deutschland hin […]

Es ging die Zeit, und es kam der Tag,
[S. 70]
Da klar zur Reise „U-Deutschland“ lag.
Und wie die Hebel auf „Fahrt“ gestellt,
Da lauschte mit stockendem Atem die Welt!
All unsere Feinde in West und Ost,
Sie harrten nur einer, nur einer Kost:
„Das Boot, das uns so sehr gekränkt,
Liegt auf dem Meeresgrund versenkt!“

Doch die „Deutschland“ fuhr, und all ihr Geschrei,
All ihre Schwüre verflogen wie Spreu.
Die „Deutschland“ fuhr, und keine Gewalt
Bot ihrem ruhmreichen Wege halt!
Wohl ging noch oftmals die Sonne auf,
Es richten sich Tage zum Wochenlauf.
Frug mancher sorgend im deutschen Land:
Wann endlich kehrt sie zum Heimatstrand?

Und nun kam der Tag, und nun fliegt das Wort
Durch hundert Millionen Kehlen fort,
Das Wort, das immer verklingt und verjährt
„U-Deutschland“, „U-Deutschland“ ist keimgekehrt!“

Hans Dowidat
Oberheizer auf S.M.S. „Posen.“


  1. Handels-U-Boot und später Unterseekreuzer der Kaiserlichen Marine, 1916-1922

Personen: Wiedemann, Klaus · Dowidat, Hans · Uncle Sam
Orte: Hafen Baltimore, Md. · Baltimore · USA · Bremen · Deutschland ·
Sachbegriffe: Kriegslyrik · Patriotismus · Deutsches Reich. Marine · Unterseebootkrieg · Kreuzerkrieg · Seeschlachten · Handelsflotte · Helden · Kapitäne · Schiffe · Deutsches Reich · Hafen
Empfohlene Zitierweise: „Klaus Wiedemann, Der Erste Weltkrieg aus der Sicht eines Kasseler Oberschülers, 1914-1918, Abschnitt 35: Gedicht "U-Deutschland"“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/13-35> (aufgerufen am 29.04.2024)