Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Klaus Wiedemann, Der Erste Weltkrieg aus der Sicht eines Kasseler Oberschülers, 1914-1918

Abschnitt 3: Verladen und Abfahrt des Regiments von Kassel

[7-9]

Auf der Straße bildeten die Leute förmlich ein Spalier. Da sah man viele, die einen Sohn vielleicht zum letzten mal an den Bahnhof begleiten. Hier und da sah man, wie ein Freund oder ein Bekannter sich von einem Feldgrauen trennten, vielleicht auf immer. Doch [S. 8] mancher Vater war stolz, daß er einen Sohn dem Vaterlande geben konnte, der für es streiten und fallen konnte. Es zeigt sich auch ihn diesem Kriege wieder die alte Opferfreudigkeit; denn die Soldaten wurden reichlich mit Liebesgaben versehen, wie z.B. Schokolade, Zigarren, Zigaretten, Keks und allerlei erfrischende Getränke. Auch hatte keiner der Soldaten den Mut sinken lassen; denn sie waren stolz darauf, als die ersten aus der Garnison zu ziehen. So gelangten sie zum Bahnhof. Hier stand schon der Zug bereit. Der Zug war ziemlich lang, so daß zwei Lokomotiven davor waren. Nun scholl das Kommando „Ganze Batterie Halt!“. Im Augenblick stand der ganze Zug. Die Soldaten stiegen nun von ihren Pferden. Jetzt begann nun eine schwere Arbeit. Jetzt mußte nämlich alles verladen werden. Damit das Publikum den Soldaten nicht im Wege stand, durften sie „Rampe“ nicht betreten. Beim Verladen waren wieder nichtausrückende Soldaten tätig. Zuerst wurden die Pferde verladen, welches keine Kleinigkeit war, In jeden Waggon kamen 6 Pferde. Auf jeder Seite drei. Zur Bewachung dieser Pferde waren zwei Mann bestimmt. Dieses Einladen der Pferde nahm eine ganze zeit in Anspruch; denn viele Pferde gingen sehr schwer in die Wagen. Oft gehörten da 4 Mann zu. Als nun die Pferde alle untergebracht waren, wurde jeder Waggon mit einem genügenden Vorrat von Heu und Hafer versorgt. [S. 9]

Nun wurden auch die Geschütze, Munitions- Futterage- und Bagagewagen verladen. Dieses ging bedeut[end] schneller, als das Verladen der Pferde. Dieses wurde alles auf offene Waggons verladen. Während dieser Zeit spielte die Regimentsmusik ein Abschiedskonzert. Diejenigen, die noch einen Sohn, Verwandten oder Bekannten, der ins Feld rückte, hatten, durften noch einmal auf den Bahnsteig, um sich von ihm zu verabschieden. Noch einmal drückten sie sich die Hände und bald darauf fuhr der Zug ab. Mit dem Klang der Regimentsmusik und dem Hurrarufen der Soldaten verließ der Zug den Bahnhof. Noch lange winkten die Soldaten ihren Verwandten zu. Mit der festen Zuversicht: „Wir müssen siegen“ fuhren sie dem Feind entgegen.


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Erläuterungen: Seitengestaltung:
Seite 7: Postkarte mit den Flaggen des Deutschen Reiches und Österreich-Ungarns in Lorbeerzweigen, eingerahmt von Maiglöckchenblüten. Aufschrift: "In der Einigkeit liegt die Macht."
Seite 8: Rechteckiges Zinn- oder Aluminiumplättchen. Motiv: Menschen grüßen ausziehende Soldaten. Aufschrift: "Glückliche Heimkehr!"
Seite 9: oben: Papieraufkleber mit dem Motiv: Deutscher und österreichischer Soldat reichen sich die Hand. Darüber die Aufschrift: "In Treue vereint". Links im Wappenschild der Reichsadler, rechts der habsburgische Adler, oben das türkische Wappen, unten: schreitender Löwe (?). Unten: Gekreuzte Reichsflagge und österreichisch-ungarische Flagge, darunter Eisernes Kreuz.
Personen: Wiedemann, Klaus
Orte: Kassel
Sachbegriffe: Liebesgaben · Garnisonen · Bahnhöfe · Pferde · Geschütze · Munition · Bagage
Empfohlene Zitierweise: „Klaus Wiedemann, Der Erste Weltkrieg aus der Sicht eines Kasseler Oberschülers, 1914-1918, Abschnitt 3: Verladen und Abfahrt des Regiments von Kassel“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/13-3> (aufgerufen am 19.04.2024)