Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Contemporary History in Hessen - Data · Facts · Backgrounds

Ermordung des hessischen Wirtschaftsministers Heinz Herbert Karry, 11. Mai 1981

Der hessische Wirtschaftsminister Heinz Herbert Karry (1920–1981; FDP) wird in seinem Haus in Frankfurt-Seckbach von Unbekannten durch Schüsse durch das offenstehende Schlafzimmerfenster ermordet. Kurz vor 5 Uhr wird zweimal aus nächster Nähe an dem schlafenden Politiker vorbeigeschossen. Dann treffen ihn vier Projektile, von denen eines die Bauchschlagader zerreißt. Heinz Herbert Karry verblutet innerlich, der herbeigerufene Notarzt kann nicht helfen. Über das Tatmotiv existieren zunächst nur Mutmaßungen. Es gilt als wahrscheinlich, dass der Mord mit dem Eintreten Karrys für den Bau der Startbahn 18 West des Frankfurter Flughafens in Zusammenhang steht, aber auch eine terroristische Tat der RAF wird anfänglich in Erwägung gezogen.

Bekennerschreiben der linksextremistischen Terrorgruppe „Revolutionäre Zellen“

Knapp drei Wochen nach Karrys Ermordung, am 29. Mai 1981, bekennt sich die linksextremistische Terrorgruppe „Revolutionäre Zellen“ in Briefen an die linksextreme Zeitschrift „Pflasterstrand“ und eine Buchhandlung in Offenbach am Main zu dem Gewaltverbrechen. Die Briefe, die von den Behörden als authentisch eingestuft werden, prangern Karrys Engagement für mehrere umstrittene, von der Landesregierung vorangetrieben Großprojekte an. So sei Karry als Türöffner des „Kapitals“ verantwortlich gewesen für die Verwirklichung „widerlicher und zerstörerischer“ Vorhaben wie den Bau der Startbahn 18 West des Frankfurter Flughafens, das Atomkraftwerk Biblis und den Autobahnausbau. Darüber hinaus, so die Bekennerschreiben, sei Karry in skandalträchtige Waffengeschäfte mit Ländern in Krisenregionen verwickelt gewesen.Man habe Karry bei dem Anschlag jedoch nicht töten, sondern nur verletzen wollen. Die Täterschaft der Gruppe „Revolutionäre Zellen“ kann jedoch nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, der Mordfall bleibt bis heute ungeklärt. Heinz Herbert Karry, der in der sozialliberalen Koalition unter Ministerpräsident Albert Osswald (1919–1996; SPD) auch als stellvertretender Ministerpräsident fungierte, ist der erste Minister der deutschen Nachkriegsgeschichte, der einem Attentat zum Opfer fällt.
(OV/KU)

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„Ermordung des hessischen Wirtschaftsministers Heinz Herbert Karry, 11. Mai 1981“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/en/subjects/idrec/sn/edb/id/225> (Stand: 11.5.2023)
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