Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Jakob Hartmann, Lebenserinnerungen eines Alsfelder Lehrers, 1914-1919

Abschnitt 7: Waffenstillstand, Beinprothese, Rückkehr in den Schuldienst

[20-21] Den Waffenstillstand 1918 erlebte ich in Gießen, wohin ich mich hatte verlegen lassen. Dort wurde ich in das Katholische Schwesternhaus eingewiesen. Hier wurde ich von meiner wochenlangen horizontalen Lage endlich befreit, ich durfte aus dem Bett und mit Krücken umhergehen. Erst im August 1919 konnte ich aus dem Lazarett entlassen werden. Inzwischen hatte ich meine erste Prothese in Freiburg im Breisgau angefertigt bekommen. Es war ein sog. Dörflinger-Bein. Der Amerikaner Dörflinger verlor im Bürgerkrieg ein Bein und beschäftigte sich für den Rest seines Lebens mit dem Bau von Kunstbeinen, wobei er verschiedene Patente erwarb, deren Nutzung für Deutschland eine Freiburger Firma erworben hatte.

Wieder im Schuldienst

Ab Oktober 1919 konnte ich wieder Dienst tun. Ich erhielt eine Lehrerstelle in Alsfeld, wo ich u.a. den erkrankten Lehrer und Gesangvereinsdirigenten Karl Becker vertrat, der die oberste Mädchenklasse unterrichtete und vielen Alsfeldern noch in guter Erinnerung ist. Später hatte ich dann die Freude, mehrmals Schulneulinge aufzunehmen, die ich vier Jahre lang unterrichtete. Ich war methodisch sehr interessiert, und so wechselte ich bei jeder neuen Anfängerklasse die Leselernmethode. Neben der damals allgemein üblichen Schreib-Lese-Methode fing ich ein anderes Mal mit den lateinischen Druckbuchstaben [S. 21] an, einmal benutzte ich Lesekasten, die sich in der Hand eines jeden Kindes befanden, bei einer anderen Klasse lernten wir die Buchstaben mit Hilfe von Handzeichen kennen, und auch die Ganzheitsmethode wurde mit bestem Erfolg ausprobiert.

Bei der ersten Inspektion meines Unterrichts im Mai 1914 durch Herrn Kreisschulinspektor Georg Eck hatte der Schulaufsichtsbeamte nichts auszusetzen. Beim Abschied bekam ich ein Lob mit den Worten: „Bereiten Sie sich immer so gut vor." Das habe ich während meiner Dienstzeit stets getan, und diesem Umstand verdanke ich es, daß ich mit meinen vielen Schülern und Schülerinnen, die ich im Laufe der Jahre unterrichtete, immer gut ausgekommen bin, auch bei denen in der 9. und 10. Klasse.


Recommended Citation: „Jakob Hartmann, Lebenserinnerungen eines Alsfelder Lehrers, 1914-1919, Abschnitt 7: Waffenstillstand, Beinprothese, Rückkehr in den Schuldienst“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/79-7> (aufgerufen am 24.04.2024)