Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Otto Merkel, Geschichte der Familie Merkel 1912-1919

Abschnitt 10: Kegelclub Dillenburger Honoratioren

[95-97] Der Kegelklub bestand aus dem Herrn Bürgermeister Gierlich, Beigeordneten Hardt, Buchhändler Weidenbach, Buchdrucker Weidenbach, Kreisbaumeister Röver, Bergschullehrer Dr. Dönges, Kaufmann Weyel, Kaufmann Laparose, Kaufmann Benner und Lehrer von der Heydt. Dazu kamen also Kreissekretär Jakobi, Rektor Grävenstein und ich, anfänglich auch Rentmeister Matthieß. Beim Eintritt in den Klub hatte ich noch ein kleines Intermezzo mit dem kleinen Dönges, zu dessen Erläuterung ich noch einmal auf meine Offenbacher Zeit1 zurückkommen muss. Damals wurde von dem Dilllehrerbund, dessen Schriftführer Dönges damals war, ein Vorlesungskurs ins Leben gerufen. Prof. Groos-Giessen20 trug vor über das Seelenleben der Kinder. Bei den Vorbesprechungen hatten wir Mitglieder des Vereins Wilhelmstein uns verpflichtet, an den Vorlesungen teilzunehmen, falls die Vorlesungen so gelegt würden, dass uns durch die vorhandenen [S. 96] Zugverbindungen der Besuch der Vorlesungen möglich gemacht würde. Letzteres geschah aber nicht, ja Dönges soll sogar eine Bemerkung gemacht haben, nach der auf unsere Beteiligung keinen großen Wert gelegt würde. Ich erklärte daraufhin ausdrücklich, dass ich mich nicht dabei beteiligen könne. Einige unterließen dies. Trotzdem erhielten wir nach der Vorlesung die Anforderung, unser Anteil an den Kosten einzusenden. Diese Anforderung geschah sogar auf offener Postkarte mit Androhung von gewaltsamer Einziehung, also in einer wenig passender Form. Darüber stellte ich als Vorsitzender des Zweigvereins Wilhelmstein Dönges in der nächsten Versammlung des Dilllehrerbundes zur Rede, und als uns keine befriedigende Erklärung abgegeben wurde, stellten wir das Ultimatum, entweder sollte Dönges sein Amt niederlegen oder wir würden aus dem Lehrerbund austreten. Das Ultimatum wurde mit geringer Majorität abgelehnt, und wir zogen unsere Konsequenzen und verließen den Saal. Dönges war noch einmal gerettet, doch bei der nächsten Vorstandswahl wurde er nicht wieder gewählt. Darüber wurde er natürlich bei seinem ehrgeizigen Charakter zu meinem Todfeind. Er begegnete mir kurze Zeit darauf in Biedenkopf mit meinem Schwiegervater und beging, um mich zu ärgern, die Ungezogenheit mit den Worten zu grüßen: „Guten Tag Herr Nies!“. Als ich nach Dillenburg kam, was er vergebens zu hintertreiben versucht hatte, wollte ich versuchen, die alte Differenz, die 7-8 Jahre zurück lag, aus der Welt zu schaffen und machte ihm einen Besuch, den er auch erwiderte. Doch hatte sich sein Groll noch immer nicht gelegt. Als ich nun von Bürgermeister Gierich zum Eintritt in den Kegelklub eingeladen wurde, ging ich 1-2 mal, um mich zu informieren, hin. Bei der Abstimmung über mich enthielt er sich der Stimme, was natürlich für mich dieselbe Wirkung haben musste wie eine Ablehnung durch ihn. Ich teilte darauf dem Bürgermeister Gierich mit, dass ich unter diesen Umständen auf die Mitgliedschaft verzichten müsste, um keinen Zwiespalt in die Gesellschaft zu bringen. Die meisten Herren drängten aber von neuem und drückten ihr Missfallen über das Verhalten Dönges aus, sodaß ich noch einmal an Gierich schrieb und diesem die Geschichte unseres Zwistes mitteilte. Ferner schrieb ich noch einen Brief an Dönges u. bat ihm die Hand zur Versöhnung zum 2. mal. Schließlich gab er nach und es bildete sich ein wenigstens erträgliches Verhältnis zwischen uns, wenn wir auch nie so recht warm geworden sind. Ich wurde Mitglied des Kegelklubs und habe manchen gemütlichen Abend in der Gesellschaft verlebt. Auch haben wir einmal eine große Kartoffelbratpartie vor dem Löhren gehalten. Am Jahresschluß gab es jedes Mal ein Gänsekegeln. Im ersten Jahre meiner Mitgliedschaft konnte ich dasselbe aber nicht mitmachen, da Maria3 in Giessen in der Klinik lag. Meine Gans erhielt ich aber doch und Frau Jakobi hat sie mir gebraten. Ein Jahr später aßen wir bereits Gänsebraten in Russland. Dann ist der [S. 97] Klub eingegangen.


  1. D.h. die Zeit als Lehrer in Offenbach, heute Gemeinde Mittenaar, Lahn-Dill-Kreis.
  2. Prof. Karl Groos (1861-1946), vor 1911 Professor an der Universität Gießen, veröffentlichte 1904 sein Werk „Das Seelenleben des Kindes“.
  3. Die Frau Otto Merkels.

Recommended Citation: „Otto Merkel, Geschichte der Familie Merkel 1912-1919, Abschnitt 10: Kegelclub Dillenburger Honoratioren“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/5-10> (aufgerufen am 02.05.2024)