Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Regesten der Landgrafen von Hessen

1495 Mai 9

Bericht der niederbayrischen Räte über den Reichstag in Worms

Regest-Nr. 8660

Überlieferung | Regest | Originaltext | Nachweise | Textgrundlage | Zitierweise
Überlieferung
Ausfertigung: Hauptstaatsarchiv München, K. blau 270/1, fol. 137a-143a.
Stückbeschreibung: Papier.
Siegel: Mit aufgedrücktem Siegel.
Drucke: Deutsche Reichstagsakten 5, Nr. 1786.
Regesten: Regesta Imperii 14, S. 180 Nr. 1673.
Regest
Worms. - Die Räte Herzog Georgs von Bayern berichten diesem vom Wormser Reichstag: An Pfinstag vor Misericordia Domini (April 30) haben die Gesandten Herzog Georg einen Bericht geschrieben. Danach, an Samstag (Mai 2) haben die Kurfürsten der Reichsversammlung zwei Schreiben König Maximilians vorgebracht: er wünscht einen Rat, mit welchem Auftrag er seine Gesandtschaft zum Papst abfertigen soll; König Maximilian meint, seine Gesandten sollten mit rate, trost und teding alles handeln, was für das Reich, König Maximilian und den Lumpartischen bund (Heilige Liga?) nützlich und gut wäre, aber bei allem dem widerbertig nichts zusagen, sondern dies an König Maximilian bringen. Das zweite Schreiben betraf die Frage, mit welcher Antwort König Maximilian die Gesandtschaften von Savoyen, Ferrara und Montferrat abfertigen soll. Die Kurfürsten rieten, König Maximilian zu bitten, mit seiner Gesandtschaft an den Papst zu warten, bis über Friede, Recht und Reichsordnung weiter verhandelt ist. Die Gesandtschaften von Savoyen, Ferrara und Montferrat soll König Maximilian auf zimlich fuglich weg abfertigen, allerdings nicht so, wie er es in seinem Schreiben vorgeschlagen hat. Diesem Rat schlossen sich die Fürsten an. - Am Montag negstverschinen (Mai 4) haben die Kurfürsten ihren Entwurf der Reichsordnung in der Reichsversammlung verlesen lassen und den geistlichen und weltlichen Fürsten zu weiterer Beratung und Verbesserung je eine kopie geben lassen. Nachdem die Gesandten Herzog Georgs und Herzog Albrechts den Mainzer um eine zusätzliche Kopie gebeten hatten, um diese ihren Herren zuschicken zu können, lehnte dieser das des andern tags darauf (Mai 5) nach Rücksprache mit den anderen Kurfürsten ab, weil es in diesem Stadium der noch nicht abgeschlossenen Beratungen nicht füglich sei, die Entwürfe dazu weytleufig zu machen und über Land zu schicken. Wenn die Herzöge persönlich kommen, wird ihnen nichts vorenthalten werden; wenn sie nicht kommen, was weder König Maximilian noch die Kurfürsten erwarten, werden ihnen die Beschlüsse zur Einwilligung zugeschickt werden. - Bezüglich des Reichsrats ist der kurfürstliche Vorschlag, daß König Maximilian dem presidenten und den 16 Räten sowie dem jeweils stets anwesenden Kurfürsten das Reichsregiment mit umfassender Handlungsvollmacht in allen Reichsangelegenheiten übertragen soll, wobei das Reichsregiment alle gescheft und brif unter dem Titel und Siegel König Maximilians ausgehen lässt. Nirgendwo anders als vor dem Reichsregiment sollen Reichsangelegenheiten behandelt werden und, was König Maximilian dawider handelt, soll uncreftig sein. Standeserhöhungen und Nobilitation sind König Maximilian vorbehalten, ebenso die Verleihung der erleuchten Lehen, die under dem fanen empfangen werden und die dem Reich heimfallenden Lehen, außer, diese sind Fürstentümer oder andere große Lehen; diese soll König Maximilian beim Reich lassen oder mit dem Rat der Kurfürsten und des Reichsregiments weiter verleihen. Wenn König Maximilian dem Reichsrat persönlich beiwohnt, sollen ihn vier seiner Räte begleiten dürfen, jedoch müssen auch diese wie die anderen Räte des Reichsregiments schwören, König Maximilian und dem Reich treu zu sein und das Beste für König Maximilian und das Reich zu handeln. Die Räte des Reichsregiments dürfen in niemandes anderen Diensten stehen, weder miet noch gab nehmen etc. Das Reichsregiment soll dafür sorgen, daß das am gleichen Ort befindliche Kammergericht gehalten und dessen Urteile vollzogen werden. Bei Streitigkeiten von Reichsfürsten oder anderen Großen, die zu krig und aufrür führen könnten, soll der Reichsrat die Streitparteien vor sich laden und sie zu einem gütlichen oder rechtlichen Austrag bringen. Desgleichen soll der Reichsrat die tribut des Herzogs von Ferrara und der Friesländer mitsamt allen anderen des Reichs zustenden, erblosen gutern, penfellen und ander des Reichs camer zugehorig verwalten, um daraus die Bedürfnisse des Reichs für Kriege und anderes zu decken; insbesonders soll auch Einnahme und Ausgabe des Geldes aus Reichsanschlägen gegen jährliche Abrechnung Aufgabe des Reichsrates sein. Neue Hilfe oder Anschläge soll der Reichsrat aber nicht auferlegen dürfen; Wenn die Umstände dermaßen werden, soll der Reichsrat die Kurfürsten damit befassen. - Zu diesen Artikeln wurden folgende Zusätze zur Beratung an ander stende des Reichs davon zu handeln entworfen: Für alle Reichseinnahmen wird eine Kasse eingerichtet, von deren drei Schlüsseln einen der Präsident, einen einer der kurfürstlichen Räte und den dritten einer der anderen Räte haben soll. - Weder König Maximilian noch Erzherzog Philipp noch Kurfürsten oder Fürsten sollen ohne Wissen und Rat des Reichsregiments Fehde oder Krieg beginnen oder mit anderen Nationen Bündnisse abschließen. - Es soll beraten werden, wie man die Eidgenossen, Friesen und andere, die zum Reich gehören, wieder dazu bringen könne, sich den andern (Reichsständen) gleichmessig zu halten. - Wenn zur Beratung wichtiger Reichsangelegenheiten alle Reichsstände erfordert werden, sollen neben den Kurfürsten auch die Fürsten zwei geschworene Räte stellen dürfen. - Weder zu Wasser noch zu Lande sollen neue Zölle aufgerichtet bzw. alte Zölle erhöht oder verlegt werden dürfen. - Jedem Reichszugehörigen soll gegen die Türken und andere Feinde vom Reichsregiment mit aller Macht geholfen werden. - Weitere Artikel betreffen die Handhabung von Friede und Recht durch das Reichsregiment und die Führung der Reichsfinanzen bei jährlicher Abrechnung. - Die getrennten Beratungen der geistlichen und weltlichen Fürsten sowie deren gemeinsame Schlussberatung führten zu der Annahme der Artikel mit kleinen Änderungen und Zusätzen; insbesondere die Landgrafen von Hessen wollen zusammen mit Sachsen und Thüringen auch eine Reichsprovinz mit dem Recht bilden, einen der Reichsräte zu stellen; weiters wollen die Landgrafen noch nicht endgültig den obigen Artikeln zustimmen. Auch die Gesandtschaften der Herzöge Albrecht und Georg von Bayern erklärten erneut, in nichts endgültig einwilligen zu können, und forderten für die bayerischen Herzöge das Nachbesetzungsrecht für den Reichsrat aus dem Bayrland, was aber mit näher ausgeführter Begründung abgelehnt wurde. - Nachdem die Fürstenkurie ihre Beschlüsse zur Reichsordnung den Kurfürsten angezeigt hat, nahmen die Kurfürsten am Pfintztag zu abent (Mai 7) ihrerseits ainen bedacht, um ihre Antwort zu beraten, womit sie immer noch beschäftigt und der sachen nicht ainhellig sind. - Die Gesandten Herzog Georgs sorgen sich, daß wegen des säumigen Kommens anderer Fürsten und der Uneinigkeit der Herrn im Reich auf diesem Reichstag weder eine Friedens- noch eine Rechtsordnung beschlossen werden wird. Angesichts der Türkengefahr und der kriegsubung des französischen Königs könnte dies dem Reich - vor allem den Ländern, die den Türken und dem französischen König am nächsten liegen - großen Schaden bringen. - Der Streit zwischen dem (Erzbischof) von Mainz und dem Pfanlzgrafen ist noch gar weitleufig und zur Zeit besteht noch wenig Hoffnung auf einen vertraglichen Ausgleich. - Die bayrischen Gesandten ersuchen Herzog Georg erneut, persönlich nach Worms zu kommen, und beklagen sich, daß sie diesbezüglich keine Mitteilung vom Herzog erhalten haben; täglich werden sie von König Maximilian, den Kurfürsten und Fürsten gefragt, wann der Herzog kommen werde, und können darauf keine Antwort geben. Allgemein ist man der Meinung, daß Herzog Georg schon längst persönlich gekommen sein sollte, insbesondere da ihm die Türkengefahr mehr als anderen Fürsten ein Anliegen sein müsste.
Nachschrift: Herzog Georg möge an die Regalien und Reichslehen denken und daran, daß seine Gesandten zur Geheimhaltung der Reichstagsberatungen verpflichtet sind.

Wortlaut der Datierung

Wurmbs Samstag vor Jubilate 1495. Ewer ftl. gn... rete ytz zu Wurms.

Nachweise

Ausstellungsort

Worms (Rheinland-Pfalz)

Empfänger

Bayern-Landshut, Herzöge, Georg der Reiche

Weitere Personen

Hessen, Landgrafen, Wilhelm II. · Hessen, Landgrafen, Wilhelm III. · Maximilian I., Kaiser · Bayern, Herzöge, Albrecht IV., der Weise

Weitere Orte

Bayern · Italien · Mainz (Rheinland-Pfalz) · Pfalz · Sachsen · Thüringen · Savoyen · Ferrara (Reg. Emilia-Romagna/Italien) · Montferrat (Reg. Piemont/Italien) · Friesland · Schweiz · Türkei

Sachbegriffe

Berichte, politische · Räte · Herzöge · Gesandte · Regimentsordnungen, Verhandlung über · Verhandlungen, diplomatische · Klagen · Streitigkeiten · Provinzen · Reichstage · Kurfürsten · Fürsten, geistliche · Fürsten, weltliche · Reichsregimente · Standeserhöhungen · Nobilitationen · Reichssteuern, kriegsbedingte · Reichsräte, Aufgaben der · Rechnungen · Reichskassen, Einrichten von · Fehden · Eidgenossen · Bündnisse, Abschluß von · Zölle, neue · Rechtsordnungen · Reichsfinanzen

Textgrundlage

Regest

Regesta Imperii 14

Stückangaben

Regestensammlung Wolf; Regesta Imperii 14

Zitierweise
Landgrafen-Regesten online Nr. 8660 <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/lgr/id/8660> (Stand: 27.04.2024)