Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Regesten der Landgrafen von Hessen

1498 Oktober 16

Urkunde Papst Alexander VI. wegen der Klosterreform in Marburg und Grünberg

Regest-Nr. 10451

Überlieferung | Regest | Originaltext | Nachweise | Textgrundlage | Zitierweise
Überlieferung
Ausfertigung: Staatsarchiv Marburg, Urk. 1, Nr. 3749 ⟨Altsignatur: Staatsarchiv Marburg, Samtarchiv, Schublade 6, Nr. 60 I.⟩.
Stückbeschreibung: Pergament, stark modergeschädigt (bei moderner Restaurierung eingebettet), teilweise mit Textverlust, lateinisch.
Siegel: Bleibulle Alexander VI. an rot-gelben Seidenschnüren.
Rückvermerke: Auf dem Umbug rechts: P. Tuba; unter dem Umbug rechts nicht mehr entzifferbare Vermerke; auf der Rückseite wohl Registraturvermerk der päpstlichen Kanzlei.
Abschriften: Staatsarchiv Würzburg, Mainzer Ingrossaturbuch 47, Bl. 97r-100v, das Insert 97v-99r. Insert in Ukrunde Erzbischof Bertholds von Mainz von 1499 Februar 21, hiernach das Regest; Universitätsbibliothek Düsseldorf, Bibl. Binterim, Ms., fol. 2a, S. 131-134. Abschrift wohl der Ausfertigung von Bürvenich in seinen "Annales Provinciae Coloniae" von 1665.
Regesten: Scriba, Regesten Urkunden Hessen 2, Nr. 2674; Eckhardt, Die oberhessischen Klöster 3, 1, S. 673-676 Nr. 948.
Regest
Rom. - Papst Alexander (VI.) bekundet, der edle Mann Wilhelm (III.) Landgraf von Hessen habe ihm neulich bittend dargelegt, was ihm von Wilhelms Seiten auch schon zu anderer Zeit vorgetragen worden sei, daß die Mönche (professores) des Minoritenordens gen. Konventualen, die sich zum einen in der Stadt Marburg, zum anderen in der Stadt Grünberg in der Diözese Mainz aufhielten und des Landgrafen weltlicher Herrschaft unterworfen seien, ihre eigenen Gelübde vergessen, die Ehrfurcht vor Gott, die Religion und die Norm der Ehrbarkeit hintangestellt hätten und sich nicht scheuten, freier als sich gezieme, zu leben und zur Nachtzeit durch die Kneipen schändlicher Frauen zu streifen, und daß sie sich nicht darum kümmerten, Gottesdienst in den Kirchen abzuhalten, wodurch sie in weltlichen und geistlichen Dingen so sehr von der Norm abgewichen seien (deformati), daß, wenn nicht Abhilfe geschaffen werde, sehr wahrscheinlich ihre vollkommene Auflösung zu befürchten sei. Er, der Papst, habe daher auf Bitten des römischen Königs Maximilian und des gen. Landgrafen Wilhelm dem Abt des Kloster Arnsburg und dem Präzeptor des Hauses St. Antonii zu Grünberg in der gen. Diözese durch ein Schreiben in Form eines Breves aufgetragen, daß sie oder einer von ihnen persönlich in die gen. Häuser gehen und sich unter Zuziehung von zwei oder drei guten Geistlichen des gen. Ordens über das Gesagte informieren sollten, Wenn sie dabei herausfänden, daß es sich so verhalte, sollten sie die gen. Mönche von den Häusern entfernen und jene mit allen ihren Gütern den Brüdern desselben Ordens gen. von der Observanz, die unter dem Gehorsam von Vikaren stünden, übergeben und einiges andere darin Ausgedrückte tun und ausführen. Darauf seien Abt und Präzeptor oder einer von ihnen unter Zuziehung einiger Mönche gegangen und hätten, da sich die dort wohnenden Guardiane und Brüder der Konventualen selbst auf äußerste Ermahnungen hin weigerten, darin unter der Regel der Observanz und im Gehorsam gegenüber den Prälaten der Observanten zu leben, sondern zu anmaßenden Appellationen ihre Zuflucht nahmen, jene von dort entfernt und die Häuser mit allen ihren Gütern den Observanten übergeben. Jene seien dort eingeführt worden und eine Zeitlang darin geblieben, wie sie es gegenwärtig noch täten, mit gutem Ruf und zum Trost der Bürger. Nichtsdestoweniger sei ihm von Seiten der Konventualen der gen. Häuser vorgetäuscht worden, daß das ihm von Landgraf Wilhelm in dem Schreiben Mitgeteilte von der Wahrheit weit entfernt sei und daß die Ausführung, ohne daß Guardiane und Brüder der Konventualen zur Entschuldigung angehört worden wären, vorgenommen worden sei, daß auch sie durch eine große Zahl bewaffneter Laien, die in die gen. Häusern abgeschnitten und, nachdem ihre Güter beschlagnahmt worden seien, die Brüder von der Observanz in jene eingeführt worden seien, ihnen zu Unrecht und schwerem Schaden und als schlechtes Beispiel und Ärgernis für die meisten. Er, der Papst, habe sich dadurch bereden lassen und durch ein anderes Schreiben, auch in Form eines Breve, aus eigenem Antrieb und aus sicherem Wissen das gen. frühere und alles aufgrund dessen Vorgenommene und daraus Erfolgte kassiert, widerrufen und anulliert, die Konventualen in die gen. Häuser mit ihren Gütern wieder eingesetzt und sie dort wieder einführen und handhaben lassen, dazu befohlen, die Observanten zu entfernen, auch Exekutoren eingesetzt, die das Gen. mit Vollmacht durchführen und Widersprechende mit Kirchenstrafen belegen, auch die Orte der Widerspenstigen mit kirchlichem Interdikt belegen und den weltlichen Arm anrufen sollten, wie es in dem gen. Schreiben einzeln aufgeführt sei. Da aber die Gründe, derentwegen er das frühere Schreiben bewilligt habe, noch bestünden und das im späteren Schreiben Enthaltene weit von der Wahrheit entfernt gewesen sei und es noch sei, seien die im früheren Schreiben gen. Deputierten oder einer von ihnen, nachdem sie den Inhalt den Konventualen gebührend bekannt gemacht und dabei die Form gewahrt hätten, zur Exekution geschritten und hätten durch zahlreiche glaubwürdige Zeugen die im früheren Schreiben genannten Exzesse und anderes beweisen lassen. Darauf hätten die Konventualen des einen Hauses (= Marburg) sich geweigert, dort als Reformierte zu bleiben, die des anderen (= Grünberg) aber dem Mandat gehorchen wollen und mit gebogenen Knien das Konventshaus mit seinen Kelchen, Paramenten und übrigen unbeweglichen Gütern durch Übergabe der Schlüssel in die Hände des Abtes als Exekutor resigniert, seien freiwillig von ihm gewichen und hätten sich an andere Orte begeben. Dabei sei ihnen keine Gewalt geschehen, und die Observanten seien durch keine eingeführt worden. Und wenn bewaffnete Laien dabei gewesen seien, so sei das geschehen, um zu vermeiden, daß die Exekution behindert würde; doch sei keinerlei Unrecht oder Gewalt den Konventualen durch jene geschehen. Als dann der Propst von Kerpen (Caroen(sis)) in der Diözese Köln, einer von den im späteren Schreiben deputierten Exekutoren, zu dem Dekret der Ladung der in die Häuser eingeführten Observanten geschritten sei, habe er, als man Einspruch erhoben habe, erkannt, daß das spätere Schreiben, wie man glaubt, einen Mangel an päpstlicher Absicht unterliege, dessen Ausführung daher aufgeschoben. Von Seiten des Landgrafen, welcher auch Graf von Katzenelnbogen sei, der versicherte, seine Vorfahren hätten das eine der gen. Häuser gegründet und einige von ihnen hätten seit langer Zeit immer wieder (sepius) die Reformation der Häuser und der in ihnen lebenden Guardiane und Brüder von ihren Prälaten gefordert, aber nichts erreichen können, sei er, der Papst, demütig gebeten worden, er möge für die Ruhe der eingeführten Brüder, für eine heilbringende Leitung ihrer Häuser und für den geistlichen Trost der Seelen Wilhelms und der gen. Einwohner Sorge tragen und auf andere Weise aus päpstlicher Güte in dem Genannten auf günstige Weise vorsorgen. Er widerruft daher das spätere Schreiben und alles in ihm Enthaltene kraft päpstlicher Autorität, kassiert und annulliert es, zieht alle an der römischen Kurie und außerhalb anhängenden Prozesse, in welchem Stand sie sich auch befinden, an sich und erklärt den Streit für vollkommen ausgelöscht. Den Konventualen legt er über dies alles durch gegenwärtige Urkunde ewiges Schweigen auf. Das frühere Schreiben, und was jenes betrifft, bestätigt und konfirmiert er hiermit und beseitigt alle etwaigen Rechtsmängel. Den Erzbischöfen von Mainz, Köln und Trier befiehlt er, daß sie, zwei oder einer von ihnen selbst oder durch andere alles Vorgenannten und gegenwärtige Urkunde, wo, wann und so oft sie es für gut halten und darum von den eingeführten Observanten gebeten werden, feierlich veröffentlichen, die Eingeführten verteidigen und schützen und dafür sorgen sollen, daß die Observanten, die sich in den Häusern aufhalten, ihre Behausungen und Güter ruhig nutzen und genießen, wobei niemand von den Konventualen, ihren Prälaten oder den Exekutoren des späteren Schreibens sie oder die von ihnen deputierten Subexekutoren behindern dürfen.
(Siegler: der Aussteller).

Wortlaut der Datierung

Datum Rome aput sanctum Petrum, a. incarnacionis dominice 1498, decimo septimo kalendas novembris, pontificatus nostri anno septimo.

Nachweise

Ausstellungsort

Rom

Aussteller

Alexander VI., Papst

Empfänger

Hessen, Landgrafen, Wilhelm III.

Siegler

Alexander VI., Papst

Weitere Personen

Maximilian I., Kaiser

Weitere Orte

Marburg, Minoriten · Grünberg, Minoriten · Mainz, Diözese · Arnsburg (Gem. Lich), Kloster · Grünberg, Antoniter · Kerpen, Pröpste · Köln, Diözese · Katzenelnbogen, Grafen · Mainz, Erzbischöfe · Köln, Erzbischöfe · Trier, Erzbischöfe

Sachbegriffe

Päpste · Klöster, Reform von · Mönch, Minoriten · Minoriten · Konventuale · Diözesen · Klosterregeln, Mißachten von · Kneipen · Frauen, schändliche · Könige, römische · Äbte · Präzeptoren · Klöster · Mönche, Antoniter · Antoniter · Breve · Vikare · Mönche, Vertreiben schlechter · Reformen, Ablehnen von · Interdikte, kirchliche · Kelche · Paramente · Güter, liegende · Erzbischöfe · Grafen · Observante · Exekutoren

Textgrundlage

Stückangaben, Regest

Eckhardt, Klosterarchive 7

Zitierweise
Landgrafen-Regesten online Nr. 10451 <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/lgr/id/10451> (Stand: 28.04.2024)