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Kirchenpolitische Debatte im Hessischen Landtag in Darmstadt, 7. Februar 1905

Im Rahmen der Etatberatungen in der Zweiten Kammer des Hessischen Landtags in Darmstadt äußert sich der Zentrumsabgeordnete Dr. Adam Joseph Schmitt (1855–1928) (Mainz) in einer längeren Rede zu kirchenpolitischen Fragen:

Er führt aus, daß zwischen den beiden großen Konfessionen eine Spannung bestehe, wie dies lange nicht der Fall gewesen sei. Man müsse viele Jahrzehnte zurückgreifen, um ähnliche Zustände konfessioneller Verhetzung zu finden. Redner führt eine Reihe Beispiele an, die er lediglich als zutage getretne Anzeichen bezeichnet, die den Beweis erbringen, daß in unsre Volksseele eine derartige Verbitterung eingedrungen sei, daß man unmöglich daran vorübergehn könne. Er spricht die Ueberzeugung aus, daß auf beiden Seiten die schwersten Fehler gemacht worden sein müßten, sonst hätte es nicht soweit kommen können. Er erörtert sodann das Verhalten der Tagesblätter und verurteilt scharf die Angriffe derselben, besonders soweit Amtsblätter in Frage kommen. Auf die Regierung falle dadurch der Schein der Mitschuld, den zu vermeiden sie die Pflicht habe. Er spricht sein Bedauern darüber aus, daß die Regierung im Bundesrate gegen die Aufhebung des Paragraphen 2 des Jesuitengesetzes gestimmt habe. Die Eindämmung der konfessionellen Hetzereien liege nicht allen im Interesse der Kirche, sondern auch der Gesellschaft, des Staats und des Allgemeinwohls. Die Presse in beiden Lager sollte doch in unsrer Zeit andre Aufgaben zu erfüllen suchen und in Gemeinschaft mit der Kirche an der Lösung des großen sozialen Problems arbeiten zur Besserung des sozialen Lebens.

Staatsminister Karl Rothe (1840–1906) erwidert darauf, es gäbe keinen Grund für Erörterungen kirchenpolitischer Fragen in der Zweiten Kammer und im Interesse des konfessionellen Frieden sollte man solche Erörterungen möglichst vermeiden. Es sei doch eine besonders erfreuliche Tatsache, daß in Hessen die Bevölkerung verschiedenen Glaubens friedfertig zusammenlebe und es an gegenseitiger Toleranz nicht fehlen lasse. Ausnahmen würden immer vorkommen. Die Regierung sei stets bestrebt gewesen, durch strenge Unparteilichkeit und Gesetzlichkeit den konfessionellen Frieden zu erhalten. Es liege in der Natur der Sache, daß in einer politisch so bewegten Zeit, wie der gegenwärtigen, die politischen Strömungen auch auf das konfessionelle Gebiet ihren Einfluß ausüben. Die Regierung sei außerstande, die Presse zu beeinflussen. Dies sei Sache der Parteileitungen, die mit gutem Beispiel vorangehn und zuerst Wandel schaffen möchten. Was das Jesuitengesetz betreffe, so habe für die Regierung kein Grund vorgelegen, den Standpunkt aufzugeben, den sie bei Erlaß des Gesetzes eingenommen habe.
(OV)

Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Kirchenpolitische Debatte im Hessischen Landtag in Darmstadt, 7. Februar 1905“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/3011> (Stand: 7.2.2022)
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