Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917

Abschnitt 68: Kohlenmangel bei Kälte führt zur Schulschließung

[Nr. 68] Feldbrief vom 11. Februar 1917

Sonntag, 28. Januar, sollte im "Mainzer Hof" ein Familienabend des katholischen Männer- und Arbeiter-Vereins stattfinden. Musik und Theater waren schon eingeübt, alles klappte vorzüglich — da machte uns General Winter einen Strich durch die Rechnung. Das Heizmaterial blieb aus, und so ging die ganze Festlichkeit in die Brüche.

In meinem letzten Feldbriefe schilderte ich die Freuden, denen sich jetzt die Jugend beim Schlittschuhlaufen hingibt. Der Eislauf hat aber nicht nur seine Freuden, sondern er bringt auch öfter Leid. Am letzten Sonntag z. B. fiel ein Schulmädchen so unglücklich, daß es das Nasenbein brach und sich auch sonst im Gesicht so schwer verletzte, daß es wohl längere Zeit das Bett hüten muß. Das sind nun unangenehme Beigaben, welche die Bewegung in frischer Luft manchmal mit sich bringt. Die Kälte macht sich zur Zeit hier recht empfindlich bemerkbar. Mittwoch, 31. Januar, hatten wir 14 Grad, an ungeschützten Stellen sogar 16 Grad. Im Odenwald war es noch kälter. Ein Glück ist es, daß die Saaten mit Schnee bedeckt und deshalb nicht so sehr der Kälte ausgesetzt sind. In der Stadt ruft alles nach Kohlen. Leider können die Kohlenhändler nicht alle Ansprüche befriedigen.

Am 1. Febr. starb in der St. Rochus-Anstalt Frau Klara Heckwolf aus Münster. Sie wurde kürzlich von dem Former M. Sandebeck bei einem Mordversuch durch Beilhiebe schwer verwundet, kam dann ins Krankenhaus nach Darmstadt und von dort hierher. Die Beerdigung erfolgte unter großer Beteiligung in Münster. Das Enkelkind der Verstorbenen wurde, wie bekannt, schon am Morgen der Mordtat tot aufgefunden.

Da die Beschaffung von Koks zur Heizung der Schulräume auf Schwierigkeiten stieß, hat Großh. Kreisschulkommisston die Volksschule am 5. Febr. in Dieburg geschlossen. Vorläufig wird der Unterricht bis zum 20. Februar ausgesetzt. Auch Realschule und Progymnasium haben bis zu dem gleichen Termin ihre Lehrsäle geschlossen. Die Schüler des Konviktes wurden in die Heimat entlassen. Ähnlich wie hier ging es auch in Mainz und anderen Städten.

Zu Gefreiten befördert wurden die Pioniere Josef Weber, Johannes Weber und Johannes Uebel.
Durch Verleihung des Eisernen Kreuzes wurden ausgezeichnet: Gefreiter Philipp Bürger und Fahrer Josef Kaiser.
Die Hessische Tapferkeitsmedaille erhielten : Fahrer Josef Kaiser, Wehrmann Peter Kaiser und Musketier Gottfried Weißbäcker.


Empfohlene Zitierweise: „Jakob Ebersmann, Berichte aus der Heimat in den Dieburger Feldbriefen, 1915-1917, Abschnitt 68: Kohlenmangel bei Kälte führt zur Schulschließung“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/19-68> (aufgerufen am 18.04.2024)