Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg


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Mobilmachungsanweisung für die Gemeindevorsteher, S. 16-17

↑ Mobilmachungsanweisung für die Gemeindevorsteher, 1904

Abschnitt 8: Seite 16-17

[16-17] In welchen Fällen und in welchem Umfange die Verpflichtung der Gemeinden einzutreten hat, wird auf Requisition der Militärbehörde durch Anordnung des Regierungspräsidenten bestimmt, der dabei auf die Leistungsfähigkeit der Gemeinden gebührende Rücksicht nimmt. In den Städten, welche einen eigenen Kreis bilden, oder mindestens 25 000 Seelen haben, werden in der Regel die Requisitionen unmittelbar an den Stadtvorstand gerichtet. In dringenden Fällen kann die zuständige Militärbehörde die Leistungen direkt von dem Gemeindevorsteher und, wo dieser nicht rechtzeitig zu erreichen ist, von den Leistungspflichtigen in der Gemeinde unmittelbar requirieren. Anordnungen und Requisitionen werden in der Regel schriftlich erlassen unter genauer Bezeichnung der geforderten Leistung. Über die erfolgte Leistung soll von der Militärbehörde (Kommandoführer) eine Bescheinigung (Mundverpflegung-, Furage-, Vorspann-, Quartierbescheinigung, Bescheinigung über verabfolgtes Brennholz und Lagerstroh usw. nach bestimmten Formularen) ausgestellt werden. Für die vollständige und rechtzeitige Erfüllung der geforderten Leistungen sind die Gemeinden verantwortlich. Die Weigerung oder Säumnis derselben berechtigt die Zivilbehörde, die Leistung zwangsweise herbeizuführen, bei Gefahr im Verzüge ist hierzu auch die Militärbehörde berechtigt.

Die Gemeinde ist berechtigt, behufs Erfüllung der geforderten Leistungen die zur Teilnahme an den Gemeindelasten Verpflichteten, sowie die sonst in der Gemeinde sich aufhaltenden oder Eigentum in derselben besitzenden Angehörigen des Reichs zu Naturalleistungen und Diensten aller Art heranzuziehen, insbesondere auch die im Gemeindebezirke gelegenen Grundstücke und Gebäude mit Ausnahme der landesherrlichen Schlösser und der unmittelbar zu Staatszwecken dienenden Gebäude oder Gebäudeteile zu benutzen und sich nötigenfalls zwangsweise in deren Besitz zu setzen. Die in der Gemeinde durch die Leistungen etwa entstehenden Barkosten sind von den zur Teilnahme an den Gemeindelasten Verpflichteten aufzubringen.

Die Gemeinden sind berechtigt, Naturalquartier und Naturalverpflegung einschließlich Stallung und Furage für eigene Rechnung zu übernehmen und die erwachsenen Kosten auf die hierdurch von unmittelbarer Leistung befreiten Pflichtigen nach Verhältnis ihrer Verpflichtung zur Naturalleistung umzulegen.

Die Gemeinde hat den in Anspruch Genommenen Vergütung in dem Umfange zu gewähren, in welchem letztere vom Reich gewährt wird. Die Gemeinde ist in der Regel nicht verpflichtet, die Vergütung früher auszuzahlen, als sie ihr vom Reich zur Verfügung gestellt ist. Jedoch ist in den Fällen besonderer Bedürftigkeit oder unverhältnismäßiger Belastung einzelner Leistungspflichtigen diese Vergütung vorschußweise von der Gemeinde zu [S. 17] zahlen. Von diesen Fällen abgesehen, kommen die vom Reich zu zahlenden Zinsen den einzelnen zu. Zur Sicherung seiner Forderung kann jeder von der Gemeinde in Anspruch Genommene über die von ihm gemachte Leistung eine Bescheinigung von der Gemeinde fordern.

Auf dem Lande nimmt der Landrat (in Westfalen der Amtmann, in der Rheinprovinz der Landbürgermeister), in den Städten (in Hannover nur soweit es sich um selbständige Städte handelt) der Bürgermeister die Anmeldung der Vergütungsansprüche und die zu deren Begründung erforderlichen Beweisstücke entgegen, veranlaßt die etwa notwendige Ergänzung der letzteren und stellt auf dieser Grundlage die Liquidation nach bestimmten Formularen auf. Die Prüfung und Feststellung der aufgestellten Liquidationen erfolgt durch den Regierungspräsidenten. Von dem Ergebnisse wird den entschädigungsberechtigten Gemeinden Kenntnis gegeben.

Der Gemeinde steht innerhalb einer Präklusivfrist von 14 Tagen - vom Tage des Empfangs der Entscheidung ab, der Rekurs an die Minister des Innern und des Krieges offen. Diese veranlassen die zur Aufklärung des Sachverhältnisses etwa erforderlichen Ermittelungen. Sie sind bei ihrer Entscheidung — vorbehaltlich der Berichtigung von Rechenfehlern — an die auf Grund sachverständiger Schätzung erfolgten kommissarischen Feststellungen insoweit gebunden, als bei letzteren nicht Verstöße gegen wesentliche Vorschriften des Gesetzes oder die zu dessen Ausführung erlassenen Bestimmungen vorgekommen sind. Liegen solche Verstöße vor, so findet je nach Umständen eine Ergänzung oder Wiederholung des Verfahrens statt.

Gegen die Entscheidung der Minister ist innerhalb einer Präklusivfrist von 14 Tagen vom Tage des Empfangs der Entscheidung ab die Berufung an den Reichskanzler zulässig, jedoch nur insoweit, als die Verletzung eines Reichsgesetzes oder einer Ausführungsbestimmung zu einem solchen behauptet wird.

Die Ausstellung der Vergütungsanerkenntnisse nach bestimmtem Formular erfolgt auf Grund der endgültig festgestellten Liquidationen E. durch den Regierungspräsidenten. Die Anerkenntnisse lauten auf den Namen desjenigen, der die Vergütung zu beanspruchen hat, also in der Regel der Gemeinde.

Von den zu zahlenden Beträgen werden vom ersten Tage des auf die Leistung folgenden Monats Zinsen mit vier Prozent berechnet. Die Einlösung der Anerkenntnisse und die Zinszahlung erfolgt nach Maßgabe der verfügbaren Mittel. Die Inhaber der Anerkenntnisse werden durch Bekanntmachung des Regierungspräsidenten im Amtsblatt zur Empfangnahme der Zahlung aufgefordert. Die Zahlung erfolgt gültig an den Inhaber gegen Rückgabe des Anerkenntnisses; zu einer Prüfung der Legitimation ist die zahlende Kasse berechtigt, aber nicht verpflichtet. Der


Empfohlene Zitierweise: „Mobilmachungsanweisung für die Gemeindevorsteher, 1904, Abschnitt 8: Seite 16-17“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/100-8> (aufgerufen am 25.04.2024)