Hessian World War I Primary Sources

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↑ Eugen Korschelt, Erinnerungen des Marburger Zoologen und Rektors, 1914-1919

Abschnitt 5: Reise an die Westfront mit Frau von Veit

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Noch in den Septembertagen war vom Ausgang der Marneschlacht die Nachricht hierhergelangt, daß unserer guten Freundin Frau von Veit einziger Sohn, der als junger Offizier im Felde stand, schwer verwundet und vielleicht in einem Lazarett in der Gegend von Soissons aufzufinden sei. Zwar erschien dies höchst zweifelhaft, doch klammerte sich die Liebe der Mutter an diesen schwachen Hoffnungsfaden. Sie wollte versuchen, dorthin zu gelangen. Obwohl ich die Unternehmung für ganz aussichtslos hielt, machten wir uns zum Kummer meiner guten Frau auf den Weg, zunächst nach Lüttich; wie ich auf Erkundigungen erfuhr, zurzeit der einzige Weg, um in das Kriegsgebiet zu gelangen. Je näher an dieses herankam, um so schwieriger erwies sich die Weiterreise, wenn es gut ging, in Personenwagen, meist in Güterwagen mit behelfsmäßigen Sitzgelegenheiten, für eine große starke, aber nicht sehr widerstandsfähige Dame wie Frau von Veit eine ungemein strapaziöse und kaum erträgliche Sache. Daß es nicht gut gehen würde, war vorauszusehen; aber mein zu Haus gemachter Vorschlag, allein zu reisen, war abgelehnt worden. Die Mutter wollte den Sohn selbst suchen, was auch sonst geschehen, aber in diesem besonderen Fall meines Erachtens so gut wie ausgeschlossen war.

Nun erschien sie bereits erschöpft, und weiter als bis Lüttich kamen wir bei den schwierigen Transportverhältnissen nicht. Ich selbst wäre bestimmt im Kraftwagen bis Soissons gelangt und hatte dementsprechende Verbindungen bereits angeknüpft. Die Mutter konnte sich das nicht zumuten und sollte solange in Lüttich zurückbleiben. Dagegen [S. 176] sträubte sie sich jedoch, wie ihr überhaupt das ganze Unternehmen nun selbst recht aussichtslos vorkam. Begreiflicherweise war sie im Gefühl gänzlicher Unsicherheit über das Schicksal ihres Sohnes und auch ihres eigenen Zustandes völlig teilnahmslos gegenüber dem Leben in der gar nicht solange vorher ruhmvoll eroberten Stadt, obwohl es da des Interessanten genug zu sehen gab: das Benehmen und Wesen der Bevölkerung, ihr Verhältnis zu der deutschen Besatzung, die gesprengten, teilweise den Fluß noch überspannenden, größtenteils aber in ihn hinabgesunkenen Brücken, die zerschossenen Forts, die Zitadelle, und was sonst alles von dem am ersten Kriegsbeginn mit spannender Anteilnahme verfolgten, recht eigenartig und höchst überraschenden Vorgängen der Eroberung von Lüttich in Betracht kam. Wie kaum anders zu erwarten, blieb schließlich nur übrig, unverrichteterdinge auf dieselbe, für eine Dame recht anstrengende Weise zurückzureisen, wie wir hergekommen waren. Irgendwie gefährlich war die Reise gar nicht, und doch freute sich meine Frau, daß wir wieder da waren, trotz des leider gänzlich negativen Erfolgs, der mir natürlich sehr peinlich war.
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