Hessian World War I Primary Sources

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↑ Eugen Korschelt, Erinnerungen des Marburger Zoologen und Rektors, 1914-1919

Abschnitt 4: Politische und militärische Lage, Marneschlacht

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Zum Heer hatten wir ein unbegrenztes Vertrauen. Aber wie stand es mit der Gesamtleitung des Reiches? Die Führung der Politik im letzten Jahrzehnt oder eigentlich seit Bismarcks Abgang war nichts weniger als beruhigend. Leider in politischen Dingen recht unerfahren, war ich dennoch entsetzt, als ich in Bethmanns Reden zu Kriegsbeginn seine bekannten Aussprüche von dem Fetzen Papier las, auf dem die Verträge ständen, und zumal von dem Unrecht, das wir mit dem Einmarsch in Belgien begangen hätten und wieder [S. 174] gutmachen würden. Wie sich bald herausstellte, traf das nicht einmal zu; aber davon schien er als Leiter eines großen, schon längst gefährdeten und von Feinden rings umgebenen Reiches nichts zu wissen. Warum sagt der Mann bloß solche Dinge und drückt den Feinden geradezu die Waffen gegen uns selbst in die Hand, dachte ich schon damals in meinem politischen Unverstand. Die Bestätigung wurde durch die alsbald einsetzende, uns so überaus schädliche Propaganda erbracht. Der Mann blieb aber noch drei Jahre in schwerster Zeit an der Spitze der Reichsleitung.

Unterdessen erfocht das Heer seine glänzenden Siege, die wahrlich eine bessere Auswertung, zumal auch durch die Staatsführung im Innern, verdient hätten. Aber da bin ich von dem Persönlichen auf das Allgemeine gekommen, und dieses hier zu behandeln, ist weder beabsichtigt noch angezeigt: also kehre ich zu den persönlichen Erinnerungen zurück. Die erwartete Einquartierung erhielten wir sogleich, aber keine Soldaten, sondern acht Eisenbahner, die zwar auch welche waren, aber einstweilen die Militärzüge zu fahren hatten. Sie kamen nur zum Essen und Schlafen, waren sehr angestrengt und kaum zu sehen, weil sie die Ruhezeit soviel als irgend möglich zum Schlafen ausnützten. Einige von ihnen haben uns später immer wieder besucht; sie waren sehr anhänglich bis in die letzte Zeit.

Nachher erhielten wir Verwundete, die auf dem Wege der Besserung waren und sich erholen sollten, wozu sich hier Gelegenheit genug bot. Sie erzählten von den Kämpfen zu Anfang des Krieges und fühlten sich offenbar glücklich, ihnen entronnen und für einige Zeit geborgen zu sein. Dann gingen sie ergeben zur Truppe zurück und später von neuem zur Front hinaus.

Der Vormarsch war erstarrt und zum Stellungskrieg geworden. Unsere Studenten waren zum erheblichen Teil bei dem hier errichteten Jägerbataillonen eingetreten, die an den schweren Kämpfen in Flandern beteiligt waren. Der Ruhm, dem sich diese jungen ungeübten Truppen durch ihr unerschrockenes, tapferes Vorgehen erwarben, steht so fest und ist so allgemein bekannt, daß darüber nicht gesprochen zu werden braucht. Freilich waren die Verluste dementsprechend äußerst schwere. Der Name Langemarck gilt heute als Symbol für jene dem Tode fest ins Auge sehenden, auf den Feind losstürmenden jungen Kämpfer. Eine trübe und schmerzliche Nachricht folgte in jenen schlimmen Tagen auf die andere, nicht selten [S. 175] mehrere an einem einzigen Tage. Rührend war die Art der Benachrichtigung durch die überlebenden Kameraden. Die zusammen verbrachten letzten Tage, Stunden oder Augenblicke wurden geschildert. Einer der Kommilitonen schreibt mir, wie der schwerverwundete Freund, über den er sich gebeugt hat, ihm zuletzt noch mit nachlassender schwacher Stimme zuflüstert: „dulce et decorum est pro patria mori!" Wer dächte dabei nicht an das Lied von dem guten Kameraden. Das war nun leider erst am Anfang, die traurigen Nachrichten häuften sich im Laufe der Monate und nächsten Kriegsjahre. Die Zahl der nicht Wiederkehrenden war eine sehr große, und mancher weit ausschauende Plan sank mit diesem blühenden jungen Leben ins Grab.
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