Hessian World War I Primary Sources

Contents

↑ Henriette Fürth, Aus der Autobiographie der Frankfurter Frauenrechtlerin und Sozialpolitikerin, 1914-1918

Abschnitt 14: Menschliche Not und menschliches Verhalten im Krieg

◀ [188] Aber nur die Wenigsten arteten so aus. Das muss ganz besonders betont werden. Die allermeisten verhielten sich so, dass man sie, wie ich schon sagte, bewundern musste. Da war die junge Frau, ein Bübchen an der Hand. „Und einen Kartoffelschein können Sie mir auch nicht geben?“, ist das Ende einer längeren Unterredung. „Es tut mir leid, nein!“ — „Na, dann muss es eben auch so gehen“, und mit einem freundlichen „Schön Dank!“, zog sie ab. „Ich hätt’ doch so gern e Scheinsche! Sie geb mir sonscht in der Kriegsküch’ kei’ Esse net“, bat ein rundliches steinaltes Mütterchen, mit frischem rotem Gesicht. Sie bekam ihr „Scheinsche“ und ging beglückt. Dann wieder einmal: „So, in die Kriegsküch soll ich gehen? Nee, so weit herunnergekomme bin ich noch net. Das könnt ihr selber fresse!“ — „So, dann wissen Sie noch nicht, was Hunger ist. Mit Ihnen hab’ ich weiter nichts zu tun.“

Und es kamen andere. Mütter, aus deren Augen die Angst sprach. Mütter mit fest geschlossenen Lippen, über die nur schwer und zögernd das Wort der Klage und Bitte kam. Hilfloses Schluchzen musstest du hören und tieftraurigen Jammer musstest du miterleben und kannst nur selten, gar selten helfen.

Wie sie es aber ertrugen und wie sie dankbar waren für ein Verstehen und ein gütiges Wort und wie einem das ans Herz ging und man atemlos stille stand vor der schlichten Heldenhaftigkeit, die da beschlossen ist, das lässt sich nicht erzählen. Da setzte unser Volk sich ein Denkmal, dauernder denn Erz und verheißungs- und zukunftsvoll wie wenig anderes.

Viele solcher Auskunftsstellen sollten erstehen. Die rechten Menschen sollten in ihnen ihres Amtes walten und von ihnen sollte ein Strom des Verstehens, des Ratens und Helfens hinaus fluten ins weite Land und an seinem Teil den Sieg erstreiten helfen.