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Das Kriegsgefangenenlager Niederzwehren auf einer Postkarte, 1914-1918

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Zwei französische Kriegsgefangene, vermutlich aus dem Lager Niederzwehren, 1914-1918

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Französische Kriegsgefangene, vermutlich aus dem Lager Niederzwehren, 1914-1918

↑ Klaus Wiedemann, Der Erste Weltkrieg aus der Sicht eines Kasseler Oberschülers, 1914-1918

Abschnitt 6: Das Kriegsgefangenenlager in Niederzwehren

[13-15]

Das Kriegsgefangenenlager in Niederzwehren.

Durch die vielen Kämpfe in Frankreich, Belgien und Rußland hatten wir eine große Anzahl Gefangene gemacht. Diese wurden nun in Gefangenlagern untergebracht. Auch in der Nähe meiner Heimatstadt wurde ein solches eingerichtet. Bei Niederzwehren, zwei Stunden von Kassel wurde gleich nach Beginn des Krieges ein Gefangenlager gebaut. Von weiten konnte man es schon sehen, da es auf einer Anhöhe liegt. Dieses Gelände lag nähmlich früher brach. Das Gefangenlager war vorläufig nur für 20.000 Gefangne eingerichtet. Später wurde es für 30 Tausend eingerichtet. Das ganze Gefangenlager ist mit einem dreifachen Zaun umgeben, von dem der mittelste Nachts elektrisch geladen war, damit kein Gefangner nachts sich von dem Lager heimlich entfernen kann. Da es an Arbeitskräfte mangelte, mußten das Bauen des Zauns selbst besorgen. [S. 14]

Als nun diese Arbeit verrichtet war, mußten sie sich auch die Baraken bauen, die zum Teil aus Holz oder auch aus Leinwand bestanden. Nachdem alles soweit eingerichtet war, wurden die Gefangnen untergebracht. Die Baraken reichten aber bald nicht mehr aus; denn täglich kamen neue Gefangne hinzu. So mußten immer neue Baraken gebaut werden, sodaß das Gefangenlager bald einer Stadt glich. Damit nun die Gefangnen nicht heimlich ausreißen konnten, wurden sie durch Landsturmleute bewacht. Diese standen alle in einer Entfernung von 100 m mit geladenem Gewehr und aufgepflanztem Bajonett. Da nicht alle Gefangnen in dem Gefangenlager beschäftigt werden können, so arbeiten einige in den Fabriken, andere bei Bauern und Gütern. Sie bekommen hier für den Tag 0,30 M. Aber auch in dem Gefangenlager finden die Gefangnen allerlei Beschäftigung. So mußten ein großer Teil in der Nähe des Gefangenlagers einen kleinen Hügel abbauen. [S. 15] Andere mußten Wasser tragen, noch andere mußten die Baraken reinigen, noch andere in der Küche kochen helfen, wieder andere mußten waschen.

Die Kost der Gefangnen ist sehr gut. Sie bekommen genau dasselbe Quantum Brot, als unsere Soldaten. Sonntags bekommen sie sogar Fleisch. Für die Künstler [..]eibende Soldaten ist besonders Sorge getragen. Besonders für die Bildhauer und Musikkünstler. Die Gefangnen geben sogar Konzerte, und unterhalten so ihre Kameraden. Selbst für die Maler und Bildhauer hat man gesorgt und man hat ihnen besondere Räume eingerichtet, in denen sie ihre Kunst betreiben können. Es ist sogar eine Büchersammlung für sie eingerichtet wurden, sodaß für die Unterhaltung der Gefangnen genug gesorgt wird. Damit nun auch die Gefangnen mit ihren Angehörigen in Verbindung stehen können, so ist es ihnen auch gestattet, Briefe nach Hause zu senden. Daraus sehen wir, daß es unseren Gefangnen in Deutschland nicht schlecht geht.


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Persons: Wiedemann, Klaus
Places: Niederzwehren · Kassel · Frankreich · Belgien · Russland
Keywords: Kriegsgefangene · Kriegsgefangenenlager · Baracken · Landsturm · Bajonette · Fabriken · Landwirtschaft · Künstler
Recommended Citation: „Klaus Wiedemann, Der Erste Weltkrieg aus der Sicht eines Kasseler Oberschülers, 1914-1918, Abschnitt 6: Das Kriegsgefangenenlager in Niederzwehren“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/13-6> (aufgerufen am 25.04.2024)