Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Erlebnisse des August Heep aus Biebrich in russischer Gefangenschaft, 1914-1918

Abschnitt 12: Briefe des schwedischen Delegierten an August Heep

[19-20] [S. 19] Abschrift

Orenburg, den 27. Februar 1917.
Sehr geehrter Herr Heep !
Ich habe Ihren Brief hinsichtlich der Behandlung der Kranken unserem Herrn Dr. Schmorell1 zur Beantwortung und Beurteilung übergeben. Herr Dr. Schmorell schreibt folgendes:
„Herr Heep hat abgefrorene Finger und alles andere richtig behandelt und man kann ihm anraten, in Zukunft in gleicher Weise vorzugehen. Man muss ihm nur die nötige Medizin zur Verfügung stellen: Perubalsam, Xeroformsalbe, Essigsaure Tonerde. Die Sachen bekommt man ohne Rezept.

Das ganze abgestorbene schwarze gefühllose Gewebe nach den Erfrierungen muss man mit der Scheere oder einem Messer am besten entfernen, und dann erst die Wunden behandeln. Der Kranke Laufenberg ist schon am nächsten Morgen nach der Ankunft im Alexanderhospital operiert worden, kommt von dort morgen in unser Krankenhaus, und wird weiter behandelt werden. Sobald er transportabel ist werden wir das Comité benachrichtigen.“
Mit herzlichem Grusse
Ihr
(Unterschrift)

Brief des schwedischen Delegierten. (Consul)



[S. 20] Abschrift

Orenburg, den 5. Dezember 1916.
Lieber Herr Heep !

Wie sie ohne Zweifel schon gehört haben werden, kehrt Miss Geffchen zu Ihrer Tätigkeit zurück. Herr Danielsen schreibt mir privatim, dass diese Rückkehr Ihnen nicht gerade angenehm sein solle. Das ist nun leider sehr schade. Ich vermu[t]e wohl nicht ohne Grund, dass Sie der immerhin etwas schwierige Charakter der Dame abzuschrecken scheint. Nun möchte ich Sie persönlich bitten, in dieser Sache und in Ihrer bisherigen wertvollen Tätigkeit nicht zu erlahmen. Glauben Sie mir, Charaktere müssen in dieser so überaus schwierigen Zeit oft überwunden werden, und ich hoffe, dass dieses auch Ihnen gelingen wird. Sie haben doch sonst nicht den Mut sinken lassen, wie ich bei verschiedenen Gelegenheiten beobachten konnte, und so erwarte ich es von Ihnen auch in diesem Falle. Ich weiss, dass wir uns voll auf Sie verlassen können, und sind froh, dass wir einen Mann wie Sie dort haben.
Miss Geffeken hat durch ihre energischen Schritte in Petrograd2 ihre Erlaubnis wieder erfochten, und ist dabei vor niemand zurückgeschreckt. Ich denke, da ist es denn nicht mehr recht wie billig, dass sie auch die Früchte ihres Kampfes erntet, und ebendort weiter arbeitet, wo sie bisher zur Zufriedenheit vieler gearbeitet hat.
Ich hoffe also, die Sache wird gehen, und wünsche Ihnen vielen Erfolg.

Mit herzlichem Gruss an Sie und die anderen Bekannten
Ihr
(Unterschrift)

Brief des Schwedischen Delegierten (Consul)


  1. Dr. Hugo Schmorell war ein in Orenburg praktizierender deutsch-russischer Arzt. Er war der Vater des zur Widerstandsgruppe der 'Weißen Rose' der Geschwister Scholl gehörenden Alexander Schmorell, der 1917, also um die Zeit der hier geschilderten Ereignisse, in Orenburg geboren und 1943 in München hingerichtet wurde.
  2. Petrograd, 1914-1924 Name der Stadt Sankt Petersburg.

Persons: Heep, August · Schmorell, Hugo · Schmorell, Alexander · Laufenberg, Kranker · Geffchen, Cl. · Scholl, Hans · Scholl, Sophie
Places: Orenburg · Petrograd · Sankt Petersburg
Keywords: Erfrierungen · Ärzte · Perubalsam · Xeroformsalbe · Essigsauere Tonerde · Amputationen · Konsulate · Schweden · Widerstandskämpfer · Weiße Rose
Recommended Citation: „Erlebnisse des August Heep aus Biebrich in russischer Gefangenschaft, 1914-1918, Abschnitt 12: Briefe des schwedischen Delegierten an August Heep“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/122-12> (aufgerufen am 19.04.2024)