Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessian World War I Primary Sources

↑ Kriegsnotizen des Soldaten August Rompf aus Dillenburg, 1914

Abschnitt 3: Verlustreiche Tage in den Schützengräben

[46-47] 23.10., vorm. ½ 7 Uhr werden 20 Mann, darunter auch ich, auf Patrouille ausgeschickt, um aufzuklären wer die hörbaren Hilferufe ausstößt. Nach langem Suchen finden wir schwerverwundete Infanteristen auf freiem Felde. Alle möchten wegtransportiert werden, doch können wir das ja unmöglich. Einige schaffen wir in die nächsten Häuser, allen anderen geben wir zu trinken. Die armen Leute vom Regt. 239 waren in Granatfeuer geraten und hatten schreckliche Verluste. Schrecklich verstümmelte Leichen lagen umher, dazwischen stöhnende Verwundete. Ich werde den gräßlichen Anblick nie vergessen.

Um 9 Uhr kehrten wir zurück. Gegen Mittag gingen wir wieder zum Sturm gegen den Feind vor. Unsere, die 2. Komp. vorn. Wir hatten schrekliche Verluste.

Gegen Abend mußte sich der Feind zurückziehen. Unsere Kompanien sind ganz durcheinander geraten. Während des Sturmes wurden in meiner nächsten Nähe viele schwer und leicht verwundet sowie einige starben den Heldentod fürs Vaterland.

Nach dem Sturm warfen wir kurz vor dem Feinde neue Gräben aus, doch konnten wir dieselben nicht halten. Wir gingen wieder etwas mehr zurück und gruben uns von neuem ein. Hier traf ich wieder mit Helmuth zusammen. Von Karl Cornelius und Karl Zunn war nichts zu sehen. Die Nacht vom 23. Zum 24.10 verläuft ruhig für uns, doch wird auf unserem linken Flügel dauernd geschossen.

24.10., morgens 7 Uhr, beginnt von neuem das Morden. Schon im Morgengrauen fällt dicht neben mir ein Oberjäger. Er bekam einen Kopfschuß und starb nach etwa einer Stunde.

Der Feind liegt ganz dicht vor uns. Wer den Kopf über unseren Wall streckt setzt sich der größten Gefahr aus. Im Laufe des Tages werden noch mehrere verwundet. Etwa Mittags bekommen wir Granatfeuer. Plötzlich kommt Karl Zunn im Graben von rechts und hat einen Granatsplitter im Arm. Er geht zurück zum Verbinden. Helmuth liegt einige Meter links von mir im Graben, wir können öfters zusammen sprechen und sind natürlich sehr froh darüber. Unsere Lage im Graben ist sehr mißlich.

Auch heute, am 25.10. (Sonntag), haben wir wieder Verluste. Grade heute an Sonntagen empfindet man so recht das Grauen des Krieges. Die Sonne scheint am Vormittag so schön und doch hört das Morden nicht auf. Andauernd starkes Gewehr- und Geschützfeuer.

Mich hat der liebe Gott noch immer wunderbar behütet. Von Karl Cornelius habe ich noch immer nichts gehört. Hoffentlich treffe ich ihn bald wieder.

Wir bekommen nun auch noch von hinten Feuer und bleibt uns deshalb nichts anderes übrig, als in der Nacht diesen schrecklichen Schützengraben zu verlassen. Dieses Zurückziehen aus dem Graben werde ich nie vergessen. Es war stockfinster und regnete, dazu stand an manchen Stellen auch noch Wasser im Graben, so ging es über tote Kameraden zurück. Oben auf freiem Felde angelangt, hieß es sich von neuem wieder eingraben. Da hörten wir dann auch, daß unser Kommandeur verwundet sei. Er war schon zurücktransportiert. Ich grabe mich wieder mit Helmuth zusammen ein.


Persons: Cornelius, Carl · Zunn, Karl · Schreiner, Helmuth · Rompf, August
Keywords: Verwundete · Infanterie · Granaten · Sturmangriffe · Gefallene · Schützengräben
Recommended Citation: „Kriegsnotizen des Soldaten August Rompf aus Dillenburg, 1914, Abschnitt 3: Verlustreiche Tage in den Schützengräben“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/en/purl/resolve/subject/qhg/id/11-3> (aufgerufen am 23.04.2024)